Landarbeiterorganisationen in Guatemala kritisieren fortgesetzte Vertreibungen

Trotz Agrarabkommen weiter Gewalt gegen Gemeinden. Sucht die Justiz die Konfrontation mit der Regierung? Hunderte Haftbefehle gegen Aktivisten

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Lourdes Haquelina Gómez Willis beim Treffen der UN-Expertenkommission für die Rechte der Indigenen Völker in Guatemala
Lourdes Haquelina Gómez Willis beim Treffen der UN-Expertenkommission für die Rechte der Indigenen Völker in Guatemala

Genf/Guatemala-Stadt. Die indigene Menschenrechtsaktivistin Lourdes Haquelina Gómez Willis hat bei einem Treffen der UN-Expertenkommission für die Rechte der Indigenen Völker in Genf die Situation in Guatemala scharf kritisiert. Im Zentrum ihrer Kritik standen gewaltsame Vertreibungen, die auch in der Amtszeit des progressiven Präsidenten Bernardo Arévalo weiter gehen.

Der fehlende Zugang zu Land sei eine der "strukturellen Ursachen und Kristallisationspunkte für die Förderung von Formen der Gewalt", wurde Gómez in der Presse zitiert. Dies führe zu Ökoziden, verbrannter Erde, Zwangsräumungen und Zwangsmigration.

Die Menschenrechtsverteidigerin wies darauf hin, dass Zwangsräumungen und "andere Formen der strukturellen Gewalt" von der Staatsanwaltschaft unter der Leitung der Generalstaatsanwältin Consuelo Porras, von korrupten Richtern und von Grundbesitzern gefördert würden. Involviert seien Unternehmen der Zucker- und Palmölproduktion sowie der Bergbau- und Wasserkraft-Industrie.

Neben Räumungen der Polizei gehen diese Aktionen auch von "illegalen bewaffneten Gruppen aus, die organisiert wurden, um außergerichtliche Räumungen durchzuführen". "Dies hat zu Unterernährung, Gewalt gegen indigene Kinder und Frauen, zu Morden und Kriminalisierung von mehr als 1.700 Landverteidigern geführt", erklärte Gómez. Er erinnerte vor dem UN-Gremium zudem an Fälle von Aktivisten, die zu teilweise jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt wurden.

Vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission wiesen auch verschiedene Landarbeiter- und Kleinbauernorganisation in einer Anhörung zu Räumungen und Binnenvertreibungen auf die fortgesetzten Vertreibungen hin.

"In den ersten sechs Monaten der Regierung von Bernardo Arévalo wurden in den Departamentos Petén, Alta Verapaz, Baja Verapaz, Escuintla und Jalapa 15 Räumungen durchgeführt, vier davon ohne Gerichtsentscheidung und elf mit Gerichtsbeschluss", erklärte Daniel Pascual vom Comité de Unidad Campesina (CUC).

Pascual wies darauf hin, dass es offenbar die Absicht der Justiz bei der Anordnung der Räumungen sei, dass es zu einer Konfrontation mit der Regierung komme. Seit Februar gibt es einen Runden Tisch für Agrarkonflikte. Im Februar hatte das CUC zusammen mit drei weiteren Landarbeiterorganisation ein Abkommen zu Agrarfragen mit Präsident Arévalo unterschrieben.

Ähnlich äußerte sich Rafael Gonzales, der Verantwortliche für Agrarfragen des CUC, gegenüber amerika 21. "Die aktuellen Vertreibungen verfolgen zwei Ziele: Zum einen Arévalo zu demonstrieren, dass die Vertreibungen auch unter seiner Regierung weitergehen und zum Zweiten, um Unruhe bei der Unterstützungsbasis von Arévalo zu schüren."

Sandra Calel von der Unión Verapacense de Organizaciones Campesinas (Vereinigung der Bauernorganisationen von Verapaz) sagte gegenüber der Menschenrechtskommission, auch bei Vertreibungen der Polizei seien private Sicherheitskräfte beteiligt und würden Häuser und Felder niederbrennen. Auch sie ging auf die staatliche Verfolgung von Aktivisten ein. Laut ihrer Aussage seien sogar 2.000 Menschen allein in Alta Verapaz mit Haftbefehlen konfrontiert. Auch sehen sie sich Vorwürfen wie Landbesetzung, Störung des Besitzes, Angriff auf das kulturelle Erbe der Nation und noch schwererer Vergehen ausgesetzt.

Die Organisationen kritisierten auch, dass es von Seiten des Staates keine ausreichende Hilfe für die Vertriebenen gäbe, die Organisationen müssten sich um die Betroffenen kümmern.

Leocadio Juracán vom Comité Campesino del Altiplano (Komitee der Bauern des Hochlandes) wies auf den Fall der Gemeinde Laguna Larga im Petén hin. Am 2. Juni 2017 wurden von dort 111 Familien vertrieben und lebten seitdem im Grenzgebiet zu Mexiko unter improvisierten Verhältnissen. Es habe dort seitdem zehn Fehlgeburten wegen mangelnder medizinischer Versorgung und sechs Todesfälle gegeben.