Assange heute ein Jahr in Ecuador-Botschaft

Ecuador startet neue diplomatische Offensive. Außenministerium in London sieht keine Fortschritte. Snowden auch nach Südamerika?

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Julian Assange und Ricardo Patiño am Sonntag im Fenster der Botschaft von Ecuador in London
Julian Assange und Ricardo Patiño am Sonntag im Fenster der Botschaft von Ecuador in London

London. Ein Jahr nachdem sich der Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, vor einer etwaigen Auslieferung in die USA in die Botschaft von Ecuador in London geflüchtet hat, blockiert die britische Regierung weiter eine diplomatische Lösung des Falls. Am Sonntag besuchte Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño erstmals Assange in der Botschaft. Der Minister und der Aktivist hätten bis in die frühen Morgenstunden des Folgetages gesprochen, hieß es daraufhin in Medienberichten.

Am Montag kam Patiño in London nach einem ersten Sondierungsgespräch am 17. September vergangenen Jahres in New York mit seinem britischen Amtskollegen William Hague zusammen. Vereinbart wurde dabei die Gründung einer Arbeitsgruppe. Juristen beider Staaten sollen eine Lösung des Falls auf völkerrechtlicher Basis finden. Es gebe "unterschiedliche Rechtsauffassungen", gestand Ecuadors Chefdiplomat ein. Großbritannien verwehrt Assange freies Geleit, um das Land verlassen zu können. Man sei verpflichtet, den Aktivisten nach Schweden auszuliefern, hatte Hague vergangenes Jahr gesagt – und diese Position bis heute nicht verändert. Patiño übergab der britischen Regierung nun ein eigenes juristisches Gutachten. Darin werde erklärt, weshalb die britischen Behörden dem 41-jährigen als politischem Flüchtling sogar freies Geleit gewähren müssen. Während Vertreter des britischen Außenministeriums immer wieder den Willen zu einer diplomatischen Lösung betonen, hörte sich eine offizielle Erklärung des Londoner Außenamtes nach dem Ministertreffen negativer an. Trotz der Einrichtung der Expertenkommission habe es "keine substantiellen Fortschritte gegeben".

Nicht nur in der britischen Presse wird derweil über unkonventionelle Lösungen diskutiert. Assange könnte von Ecuador ein diplomatischer Status verliehen werden. Oder er könnte in einem Diplomatenauto oder einen Gepäckstück aus der Botschaft geschmuggelt werden. Patiño erteilte diesen wenig praktikablen Methoden indes eine Absage. Assange werde die Botschaft "erhobenen Hauptes und nicht versteckt verlassen". Ecuador sei notfalls bereit, den Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof zu tragen.

Nach dem Treffen mit Hague in London schloss Patiño auch nicht aus, dem ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden politisches Asyl zu gewähren. Der junge Mann hatte den Skandal über das gigantische Überwachungsprogramm Prism des US-Geheimdienstes NSA aufgedeckt und befindet sich derzeit auf der Flucht. "Wenn er in Ecuador Asyl beantragen möchte, kann er das gerne tun, wir werden diesen Antrag dann prüfen", sagte Pariño auf Nachfrage. Im Fall von Assange hatte diese juristische Prüfung zwei Monate in Anspruch genommen.