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Todesfahrer schiebt Kubas Geheimdienst Schuld zu

Medien verbreiten Ángel Carromeros Thesen zum Tod des kubanischen Dissidenten Oswaldo Payá. Spanische Regierung stützt kubanisches Urteil

Madrid. Es war eine Weile ruhig um Ángel Carromero. Doch vor wenigen Tagen meldete sich der Nachwuchspolitiker der konservativen spanischen Regierungspartei

Partido Popular (Volkspartei, PP) wieder zu Wort. In einem Interview mit der in Madrid erscheinenden rechtsgerichteten Tageszeitung El Mundo behauptet Carromero: "Der kubanische Geheimdienst hat Oswaldo Payá umgebracht."

Vor etwas mehr als einem Jahr, am 22. Juli 2012, war ein von Carromero gesteuerter Wagen mit dem schwedischen Nachwuchspolitiker Jens Aron Modig sowie Oswaldo Payá, einem der bekanntesten und einflussreichsten Dissidenten der Insel, und Harold Cepedo, Leiter der Jugendabteilung der von Payá geführten Bewegung Movimiento Cristiano Liberación (MCL), an Bord unweit von Bayamo im Osten Kubas von der Fahrbahn abgekommen und seitlich gegen einen Baum geprallt. Bei dem Unfall fanden Payá und Cepedo den Tod.

Carromero war im Oktober vergangenen Jahres von einem kubanischen Gericht als Unfallverursacher wegen Totschlags zu vier Jahren Haft verurteilt worden; die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre gefordert. Ein Übereinkommen der Regierungen in Madrid und Havanna ermöglichte es Carromero, bereits Ende 2012 nach Spanien auszureisen und die verbleibende Strafe dort im offenen Vollzug zu verbüßen. Auch wurde er wieder als Referent in der Stadtverwaltung Madrid angestellt.

Payá war als Initiator des Proyecto Varela bekannt, bei dem im Rahmen der kubanischen Verfassung Unterschriften für ein Referendum für freie Wahlen und die gesetzliche Festschreibung von Menschenrechten gesammelt wurden.

Gegenüber El Mundo zeigte sich Carromero nun überzeugt, dass Payá und Cepedo den Unfall doch überlebt hätten."Die Krankenschwestern und ein Pfarrer haben mir versichert, dass wir alle vier ins Krankenhaus eingeliefert wurden."

Auf dem Weg nach Santiago de Cuba seien sie zuvor von einem blauen Auto verfolgt worden. "Es ist sehr nah aufgefahren. So nah, dass ich die Augen des Fahrers im Rückspiegel erkennen konnte", erzählt Carromero. Das Fahrzeug hätte sie dann von hinten gerammt, weshalb sie von der Straße abgekommen seien. Dann habe er das Bewusstsein verloren, so Carromero weiter. "Das nächste, woran ich mich erinnere ist, wie mich einige Männer in einen Van mit Schiebetüren gehievt haben, wie ihn die kubanische Staatssicherheit benutzt.“ Das Ganze als Unfall zu verkaufen und ihn zu beschuldigen sei das "perfekte Alibi“, um den Todes Payás zu vertuschen. Zudem beklagt Carromero, keinen fairen Prozess gehabt zu haben. Die Beweise seien manipuliert worden und die Verteidigung hätte weder Zugang zu dem Fahrzeug noch zu Zeugen gehabt. Er dementiert, mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen zu sein.

Während des Prozesses hatte Carromero die offizielle Version der kubanischen Behörden zum Unfallverlauf bestätigt und dementiert, von einem anderen Auto bedrängt worden zu sein. Damals hatte er den schlechten Zustand der Straße und eine fehlende Beschilderung für den Unfall verantwortlich gemacht.

Nach dem Interview mit Carromero erneuerte die Familie Payás ihre Forderung nach einer "unabhängigen Untersuchung" der Todesumstände. Ofelia Acevedo, die Witwe Payás, die mittlerweile in Miami lebt, verlangte zudem von der spanischen Regierung eine Begnadigung Carromeros. Von dessen Unschuld zeigt sie sich überzeugt. Eine Reihe US-amerikanischer Senatoren forderte derweil die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte auf, das Urteil aufzuheben und eine unabhängige Untersuchung einzuleiten.

Bereits im März hatte Carromero in einem Interview mit der Washington Post davon gesprochen, dass der Unfall von einem anderen Fahrzeug provoziert worden sei, und bezeichnete den juristischen Prozess als "Farce". Der spanische Außenminister Miguel Ángel García-Margallo hatte daraufhin erklärt, keine Kenntnis davon zu haben, dass sich die Ereignisse so abgespielt hätten, wie von Carromero behauptet. Die spanische Regierung erkenne die Legitimität des Urteils des kubanischen Gerichts an.

Carromeros Beifahrer während der verhängnisvollen Fahrt, der Schwede Aron Modig hatte ausgesagt, keine genaue Erinnerung an die Situation zu haben. In Zeitungs- und Radiointerviews erklärte er wiederholt, dass er sich an Einzelheiten des Unfalls nicht erinnern könne, sondern lediglich daran, dass der Wagen von der Fahrbahn abgekommen und er später in einem Krankenwagen wieder zu Bewusstsein gelangt sei.

Carromeros Argumentation und Stilisierung als Opfer leidet unter einem Glaubwürdigkeitsproblem. Vor seiner Abreise nach Havanna hatte er 45 Strafzettel gesammelt und seine Fahrerlaubnis sollte eingezogen werden, wie die spanische Tageszeitung El País berichtete. In Kuba wurde er wegen Totschlags aufgrund rücksichtslosen Fahrens verurteilt – ein Delikt, das auch in Spanien mit Gefängnis bestraft wird.

Auch der kubanische Historiker und Soziologe Haroldo Dilla Alfonso, nicht gerade ein Freund der Regierung in Havanna, glaubt nicht an Carromeros Version. Eine Ermordung Payás hätte aufgrund dessen herausgehobener Stellung und angesichts der Notwendigkeiten in Bezug auf die begonnenen wirtschaftlichen und sozialen Reformen "mehr Probleme als Vorteile" aus der Sicht der politisch Verantwortlichen. Für ihn bleibe Carromero "ein schlechter Witz der europäischen Rechten".