Mexiko / Politik

Meistgesuchter Drogenboss in Mexiko festgenommen

Festnahme von El Chapo durch Einsatz von US-Drohnen in Mexiko unterstützt. Generalstaatsanwalt will ihn als Kronzeugen. USA fordern seine Auslieferung

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Kopfgeldplakat des US-Justizministeriums
Kopfgeldplakat des US-Justizministeriums

Mexiko-Stadt. Am 22. Februar ist der international gesuchte Drogenhändler Joaquín Guzmán Loera, auch bekannt als "El Chapo", in einem Hotel

in der mexikanischen Hafenstadt Mazatlán von mexikanischen Streitkräften festgenommen worden.

Guzmán gilt als Kopf des sogenannten Sinaloa-Kartells. Die US-amerikanische Zeitschrift Forbes hat ihn auf Platz 67 der weltweit mächtigsten Personen platziert und die Drogenvollzugsbehörde (DEA) der USA setzte fünf Millionen US-Dollar als Belohnung aus für Hinweise, die seine Verhaftung ermöglichen. Er ist unter anderem wegen Drogenschmuggel, Mord, Entführung, Geldwäsche und weiteren Delikten angeklagt und könnte deswegen für 40 Jahre ins Gefängnis kommen.

Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft hat ihm umittelbar nach seiner Festnahme angeboten, als Kronzeuge aufzutreten. Er solle Informationen über Unternehmer, Politiker und öffentliche Funktionäre, die mit dem Sinaloa-Kartell zusammenarbeiten, preisgeben. Währenddessen fordern die USA seine Auslieferung, wogegen Guzmán über seinen Anwalt bereits Einspruch erheben ließ.

Offiziellen Regierungsangaben zufolge konnte der genaue Ort Guzmáns durch sein Satellitentelefon ausgemacht werden. Tage zuvor, am 12. Februar, waren in der Stadt Culiacán im Bundesstaat Sinaloa weitere hochrangige Mitglieder besagten Kartells festgenommen worden. An diesem Tag konnte sich der Kopf der Organisation noch durch ein unterirdisches Tunnelsystem retten.

Die Operation der mexikanischen Spezialkräfte wäre ohne die Unterstützung durch US-amerikanische Drohnen nicht möglich gewesen, die zuvor in Aufklärungsflügen den genauen Aufenthaltsort des Gesuchten bestätigten. Dass sich fremde Drohnen auf dem nationalen Territorium befinden, sei kein permanenter Zustand und nur in Ausnahmefällen gegeben, so die mexikanischen Militärvertreter auf Nachfragen. Diese Art der Zusammenarbeit habe sich seit dem Beginn der Regierungszeit von Präsident Enrique Peña Nieto ergeben, hieß es weiter.

Ungeachtet der Erfolgsmeldungen von mexikanischen und US-amerikanischen Politikern und Regierungsinstitutionen, stellt sich die Frage, ob sich mit der Festnahme von Guzmán etwas im Kriegsszenario Mexiko ändern wird. Denn Drogenkartelle funktionieren wie internationale Unternehmen  – dem Sicherheitsexperten Edgardo Buscaglia zufolge ist das Sinaloa-Kartell in 54 Ländern dieser Welt aktiv – und können sich durch ihre direkte Verbindungen mit der legalen Wirtschaft behaupten. Auch der Umstand, dass die Festnahme oder Ermordung eines Kartellchefs meist in interne Kleinkriege um die Nachfolge und in gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Kartellen um territoriale Ansprüche mündet, lässt keine Änderung der derzeitigen Situation erwarten.

Nachdem Guzmán im Jahr 1993 in Guatemala das erste Mal verhaftet wurde, entbrannte ein Krieg zwischen dem Sinaloa-Kartell und dem Juárez-Kartell um die Vorherrschaft in der Grenzstadt Ciudad Juárez. In den darauffolgenden Jahren kostete dies ungefähr 11.000 Menschen das Leben. Der Brisanz der Lage sind sich auch die Sicherheitskräfte bewusst. So wurde in den Bundesstaaten Chihuahua, Durango, Tamaulipas und Nuevo León die Anzahl der Polizeibeamten verstärkt, in ersterem sogar der Urlaub für die Beamten vorerst gestrichen.

Knapp acht Jahre nach der Verhaftung, am 19. Januar 2001 gelang es El Chapo unter noch nicht geklärten Umständen aus dem Hochsicherheitsgefängnis Puente Grande im Bundesstaat Jalisco zu fliehen. Seitdem war er auf der Flucht.

Zahlreiche Fragen tauchen jetzt im Kontext seiner Verhaftung auf: Wo war seine persönliche Leibgarde zum Zeitpunkt der Festnahme? Kam es zu vorherigen Absprachen? Warum wurde er erst jetzt dank modernster Überwachungstechnik festgenommen, ist doch spätestens seit dem NSA-Skandal bewiesen, dass die USA bei Bedarf alles mögliche überwachen und speichern kann? Zu welchem Strategiewechsel kam es? Standen in den letzten Jahren vor allem das Golf-Kartell und das Kartell der Zetas im Fadenkreuz der US-Ermittlungen?

Auch der ehemalige Geheimdienstchef der DEA, Phil Jordan, wirft neue Fragen auf. Er behauptet, dass Guzmán mit Millionengeldern die Wahlkampagne des amtierenden mexikanischen Präsidenten von der Partei der institutionellen Revolution (PRI) mit finanziert haben soll.