Ecuador / Medien

Bilanz nach einem Jahr Mediengesetz in Ecuador

Private Medien sprechen von Zensur. Regierung und Medienwissenschaftler ziehen positive Bilanz. Journalistische Qualität habe sich verbessert

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Demonstration für das neue ecuadorianische Mediengesetz...
Demonstration für das neue ecuadorianische Mediengesetz...

Quito. Vor einem Jahr hat das ecuadorianische Parlament ein Mediengesetz verabschiedet. Aus diesem Anlass bilanzierten Journalisten, Medienwissenschaftler und

Politiker die Auswirkungen der Regelung. Während Vertreter der privaten Medienunternehmen und der Verlage überwiegend negative Folgen befürchten, lobten Vertreter der Zivilgesellschaft und Politiker aus der Regierungspartei Alianza País erreichte Fortschritte. Das Kommunikationsgesetz war nach vierjähriger Diskussion am 14. Juni 2013 verabschiedet worden. Zehn Tage später trat es in Kraft.

Ecuadors Präsident Rafael Correa äußerte sich zum Jahrestag positiv. Er warf den Betreibern der privaten Medien vor, die Inhalte des Gesetzes bis heute falsch darzustellen. Correa wies darauf hin, dass das Mediengesetz genau wie die Verfassung des Landes Zensur verbiete. Auf den Verweis, im vergangenen Jahr habe es 81 Sanktionen gegen Medien gegeben, stellte der Präsident klar, die einzigen Maßnahmen, welche die neu geschaffene Medienaufsicht verhängt habe, seien Richtigstellungen und Entschuldigungen im Falle von Falschdarstellungen. Schon diese grundlegenden Standards der journalistischen Arbeit würden die Besitzer der privaten Medien als "Aggression" bewerten.

"Mit dem Inkrafttreten des Mediengesetzes haben wir die Möglichkeit eröffnet, dass das Frequenzspektrum durch gerechte Verteilung zu öffentlichem Eigentum wird", beschreibt Patricio Barriga den seiner Meinung nach wichtigsten Aspekt. Nach Angaben des Präsidenten der Medienanstalt Cordicom wurden bis dahin mehr als 93 Prozent der Frequenzen durch private Rundfunkanbieter genutzt. Zwar habe sich bisher der Anteil von staatlichen Radio- und Fernsehanbietern und der durch selbstverwaltete Bürgermedien genutzte insgesamt nur um zwei Prozent erhöht. "Das sind jedoch erste Schritte dahin, ein Gleichgewicht beim Recht auf Kommunikation zu erreichen", glaubt Patricio Barriga.

Eine ähnliche Position vertritt der Medienwissenschaftler Romel Jurado. Langfristig werde das Gesetz auch Eigentumsstrukturen im ecuadorianischen Mediensystem verändern. "Ohne Zweifel enthält es wichtige Implikationen, die sich auf die Privilegien der privaten Unternehmen auswirken werden." Der wesentliche Fortschritt des Gesetzeswerkes bestehe jedoch darin, dass die Zivilgesellschaft Einfluss auf das Mediensystem erhalte, sei es durch die Möglichkeit, eigene Bürgermedien zu gründen, oder dadurch dass das Publikum erstmals eine Vertretung in den staatlichen Strukturen zur Medienregulierung erhält.

"Die neuen Bedingungen haben jetzt schon dazu geführt, dass sich die journalistische Qualität deutlich verbessert", so der Medienwissenschaftler. "Journalisten, sowohl in Privatmedien, in staatlichen als auch in den Bürgermedien, geben sich mehr Mühe, Sachverhalte, über die sie berichten, zu überprüfen, sie einzuordnen und Daten exakt wiederzugeben." Auch bei der Trennung von Meinungsbeiträgen und Nachrichten lassen sich nach Ansicht von Romel Jurado deutliche Fortschritte feststellen.

Den gesetzlichen Einfluss darauf, wie Inhalte präsentiert werden, sehen allerdings bei weitem nicht alle Journalisten unkritisch. Laut einer Umfrage der staatlichen Zeitung El Telégrafo erleben zwar drei Viertel der befragten Journalisten durch das Gesetz keine wesentliche Veränderung bei ihrer Arbeit. Immerhin ein Viertel erklärte jedoch, man fürchte dadurch Formen der Sanktion. Fast ein Drittel der befragten Journalisten – die meisten arbeiten für private Medien – gaben an, selbst schon Drohungen hinsichtlich ihrer inhaltlichen Arbeit ausgesetzt gewesen zu sein. Zwölf Prozent erklärten, sie seien bereits Opfer von Zensurmaßnahmen geworden.

Da Ecuador bis zum vergangenen Jahr kein eigenes Mediengesetz hatte, sondern Rechtsverstöße von Journalisten und Medien wie in Deutschland im allgemeinen Strafrecht behandelt wurden, ging der Verabschiedung des Gesetzes eine starke Kontroverse voraus. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob öffentliche Kommunikation als eine Dienstleistung definiert wird, die von privatwirtschaftlichen Unternehmen erbracht wird. Oder ob - und das ist die Regierungsposition – es sich bei Kommunikation um ein öffentliches Gut vergleichbar mit Gesundheit oder Bildung handelt. Letzterer Ansatz würde ein deutlich höheres Maß an staatlicher Verantwortung beinhalten.

Zwar erkennt bereits das Mediengesetz beides an und unterstützt damit sowohl privatwirtschaftliche als auch öffentliche Medien. Die Regierung von Rafael Correa will die Lesart als "öffentliches Gut" jedoch stärker rechtlich absichern. Am ersten Jahrestag der Verabschiedung des Mediengesetzes legte Alianza País dem Verfassungsgerichtshof einen Vorschlag vor, die Verfassung dahingehend zu ändern, dass der öffentliche Charakter von Medien gestärkt wird. Der neue Absatz lautet, dass Kommunikation "als öffentliche Dienstleistung durch öffentliche, private und Bürgermedien" erbracht wird.