Lehrer in Chile protestieren gegen Bildungsreform

Lehrer fordern mehr Mitspracherecht, verbesserte Arbeitsbedingungen sowie Abwendung vom privaten Bildungssystem

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Der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft, Jaime Gajardo, während der Demonstration
Der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft, Jaime Gajardo, während der Demonstration

Santiago de Chile. Die Lehrer in Chile haben durch einen Generalstreik und eine Großdemonstration ihre Solidarität mit den Studenten und Schülern bekundet und

gleichzeitig ihrerseits Forderungen an die Regierung gestellt. An der Demonstration am vergangenen Mittwoch in der Hauptstadt nahmen nach Angaben des Gewerkschaftsführers der Lehrerkammer Jaime Gajardo 50.000 Menschen teil, unter ihnen auch Mitglieder anderer Gewerkschaften sowie Studenten und Schüler. Dem Streikaufruf waren rund 80 Prozent des Lehrpersonals nachgekommen, wodurch nach Angaben der Regierung der Unterricht für 1,4 Millionen Schüler entfiel.

Die Demonstration verlief größtenteils friedlich, am Rande kam es jedoch, wie die vergangenen Male auch, zu Zusammenstößen zwischen vermummten Demonstranten und der Polizei.

Nachdem sich die Lehrer während der ersten beiden Bildungsproteste unter der neuen Regierung von Präsidentin Michelle Bachelet zurückgehalten hatten, positionierten sie sich durch den Streik sowie die Demonstration klar auf der Seite der Schüler- und Studentenorganisationen, die die geplante Bildungsreform für unzureichend und scheinheilig befunden haben. Die Lehrer fordern eine konsequente Abwendung von der privatisierten Bildung sowie mehr Mitspracherecht in der Reform und verbesserte Arbeitsbedingungen für Lehrer. Neben der hohen Arbeitsbelastung kritisieren sie die prekäre Situation der angestellten Lehrer und fordern die Wiedereinführung eines Mindesteinkommens für Lehrkräfte.

Dem Generalstreik waren wochenlange interne Konflikte bezüglich der Positionierung der Lehrerschaft vorausgegangen. Bislang waren die Lehrkräfte der einzige Sektor des Bildungswesens gewesen, dessen Vertreter die geplante Bildungsreform ohne Erwiderung befürwortet hatten. Jaime Gajardo, Vorsitzender der Gewerkschaft, hatte sich interner Kritik ausgesetzt, da er nicht an den Protesten der Studenten und Schüler teilgenommen und dem Bildungsminister Nicolás Eyzaguirre seine öffentliche Unterstützung ausgesprochen hatte.

Bei der Generalversammlung der Gewerkschaft am 6. Juni konnte sich schließlich der reformkritische Flügel mit seinen Forderungen durchsetzen und auch Gajardo kritisiert inzwischen die Bildungspolitik der Regierung scharf. Während der Versammlung kamen die Mitglieder zu dem Schluss, "das geplante Gesetzesprojekt abzulehnen, da die vorgeschlagenen Änderungen der marktgesteuerten Bildung kein Ende bereiten, da sie das subventionierte Finanzierungssystem aufrechterhalten und die Schulen dazu zwingen, untereinander weiterhin um die besten Schüler zu konkurrieren. Das, was die Bildung wirklich braucht, sind strukturelle Veränderungen."

Während der Versammlung stimmte die Mehrheit für den Generalstreik. Zudem wurde festgelegt, dass die Regierung bis Ende Juli auf die Forderungen der Gewerkschaft reagieren müsse – ansonsten drohten weitere Mobilisierungen.

Die Schüler- und Studentenbewegung fordert seit zehn Jahren eine öffentliche, kostenlose und hochwertige Bildung. Ihre Anprangerung der Missstände des privatisierten Bildungssystems und der fehlenden Dialogbereitschaft der Regierung stieß auf große Resonanz und hat die öffentliche Diskussion über den neoliberalen Kurs des Landes entfacht sowie die Regierung dazu gezwungen, sich ernsthaft mit den Forderungen auseinanderzusetzen.