Dutzende Paramilitärs in Kolumbien bald in Freiheit

Bekannter Bandenchef trotz nachgewiesener Verbrechen freigelassen. Andere Milizionäre könnten folgen. Proteste von Menschenrechtsorganisationen

afro-colombians-massacred-buenaventura.jpg

Opfer eines Paramilitär-Massakers in Buenaventura, Kolumbien, im Jahr 2005
Opfer eines Paramilitär-Massakers in Buenaventura, Kolumbien, im Jahr 2005

Bogotá. In Kolumbien ist der ehemalige Anführer des Paramilitär-Verbandes Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) in der Region Cauca

, José de Jesús Pérez Jiménez alias "Sancocho" aus dem Gefängnis entlassen worden. Menschenrechtsorganisationen übten scharfe Kritik an der gerichtlichen Entscheidung zu dem Mann, dem unzählige Morde nachgewiesen wurden. Der Fall hat daher nun auch die Debatte über das Demobilisierungsgesetz für die rechten Milizen wieder entfacht.

Trotz dreizehn Urteilen und 231 nachgewiesenen Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde Pérez nach acht Jahren Haft freigelassen. Er ist der vierte Ex-Paramilitär-Chef, der in diesem Jahr im Rahmen des Demobilisierungsgesetzes aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Trotz der Beschwerden von Menschenrechtsorganisationen, Angehörigen der Opfer des paramilitärischen Terrors und Vertretern der Opposition wies Richter José Manuel Bernal an, Pérez als einen der am meisten gefürchteten paramilitärischen Anführer in Cauca freizulassen. Wie er selbst gestand, war er in dieser Region zwischen 2000 und 2004 an der Ermordung von Gewerkschaftsführern, Bauern und Indigenen beteiligt. Wie viele andere "Ex-Paras" gab Pérez viele Jahre später zu, dass die meisten der Opfer keine Beteiligten des bewaffneten Konflikts waren und dass es sich um Zivilisten handelte.

Pérez Jiménez war zudem gemeinsam mit mehr als 200 Männern an Ostern 2001 in der Region El Naya an einem Massaker gegen die Zivilbevölkerung beteiligt. Nach Augenzeugenberichten wurden dabei bis zu 100 Menschen getötet und fast 4.000 vertrieben. Die Zahlen der Opfer sind unklar, da viele unkenntlich gemacht oder in Schluchten gestoßen worden waren. Unter dem Befehl von AUC-Chef Vicente Castaño sollten auf diese Weise die Guerilla-Organisationen von der Pazifikküste vertrieben und lukrative illegale Geschäfte übernommen werden.

Ein Staatsanwalt hatte das Gericht aufgefordert, Pérez nicht in die Freiheit zu entlassen, da dieser noch über die Verstrickungen von Politik und Paramilitärs sowie über illegale Geschäfte aussagen könne. Doch das Gericht wies diese Einsprüche mit der Begründung ab, der Mann würde auch so weiterhin mit der Justiz zusammenarbeiten. Pérez äußerte sich dazu per Videokonferenz aus dem Gefängnis Itagüi: "Ich habe immer zum Demobilisierungsprozess gestanden, seit dem ersten Moment in dem wir die Waffen abgegeben haben. Ich werde mit Staatsanwaltschaft und Landesbehörden so lange wie nötig kooperieren. Wiederum bitte ich die Opfer um Entschuldigung." Daraufhin bekam er lediglich Reiseauflagen und das Verbot erteilt, Schusswaffen zu führen oder sich den Opfern und ihren Familien zu nähern.

Am 18. Dezember 2004 hatte die Einheit um Pérez gemeinsam ihre Waffen abgegeben und am sogenannten Programm zur Demobilisierung teilgenommen. Im Zuge der Verhandlungen zwischen der damaligen Regierung von Präsident Álvaro Uribe und den paramilitärischen Gruppen wurden acht Jahre als Höchststrafe für Paramilitärs festgelegt, sofern sie ihre Waffen freiwillig niederlegen.

Trotz rechtlicher Unklarheiten hatte diese Demobilisierung im Jahr 2003 begonnen. 2005 wurden entsprechende Gesetze verabschiedet, die den Paramilitärs umfassende Strafmilderung ermöglichen und lediglich einen Bericht über ihre Tätigkeiten fordern. Mit brutaler Gewalt angeeignete Ländereien und Gewinne aus dem Drogenhandel konnten so legalisiert werden. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Demobilisierung mehrfach als Legalisierungsprogramm für Söldnertruppen. Anfang Juli 2014 bekräftigten Vertreter der UNO, dass die Paramilitärs der AUC nicht mehr als terroristische Vereinigung angesehen werden würden. Die Regierung der USA strich die AUC von ihrer Liste der Terrororganisationen. Beides trug stark zur offiziellen Legitimation der Gruppen bei.

Paramilitärische Gruppen sind überall im Land weiterhin aktiv und ermorden jährlich Hunderte Menschen. Seit Ende Juli dürfen allerdings 1.147 inhaftierte Paramilitärs laut dem Demobilisierungsgesetz mit dem Titel "Gerechtigkeit und Frieden" ihre Entlassung beantragen, kündigte Generalstaatsanwalt Eduardo Montealegre an. Zumindest 160 von ihnen sollen die Bedingungen für ihre Entlassung erfüllen und könnten sich ab August in Freiheit befinden.