Rezension: En Espera – Ein Film von Gabriela Calvache

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María Sol Barragán im Film "En Espera"
María Sol Barragán im Film "En Espera"

Die ecuadorianischen Anden als malerische Kulisse. Saftige grüne Wiesen, sich wiegende Getreidefelder und ferne Berggipfel. Die Vögel zwitschern, Menschen arbeiten auf ihren Äckern und dazwischen hüten Kinder Schafe. Ländliche Idylle. Doch die Stimmung ist beklemmend.

Ein Mädchen, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, verabschiedet sich von ihrem spielenden Bruder. Sie läuft die Hügel hinab zu einer großen Straße und wartet – auf ein Auto, welches sie mit in die nächste Stadt nimmt. Dort angekommen, läuft sie zielstrebig durch einen bunten belebten Markt, durch Straßen und immer wieder vorbei an einer Schule, deren morgendliche Durchsagen bis zu ihr hinaus hallen. In ihrem leuchtend roten Poncho, dem langen grünen Rock und dem braunen federbestückten Hut hebt sie sich farblich deutlich von der grauen Umgebung aus Häusern und Zäunen ab. Als das Mädchen einen Schulhof betritt, auf dem hunderte Schülerinnen in blauen Uniformen eine Hymne singen, wähnt man sie am Ziel. Doch statt sich zu ihnen zu gesellen, schaut sie nur vom Rande aus zu und geht schließlich, nachdem in den Klassenräumen der Unterricht begonnen hat, weiter.

Für das Mädchen ist eine andere Uniform vorgesehen. Eine Uniform, die ihr den Schulbesuch verwehrt und die sie sich allein in Ecuadors Städten mit 180.000 weiteren Kindern teilt. Eine Uniform, die weltweit rund 265 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren tragen müssen. Die Uniform der Kinderarbeit.


Im Rahmen der 65. internationalen Filmfestspiele Berlin, die vom 5. bis 15. Februar stattfinden, präsentieren wir hier in den kommenden Tagen und Wochen einige Filme aus der Sonderreihe zum indigenen Kino Lateinamerikas. Unter der Überschrift 'NATIVe – A Journey into Indigenous Cinema' werden auf der Berlinale insgesamt 18 Spiel- und Dokumentarfilme aus den Jahren 1986 bis 2014 gezeigt.