Neues Polizeigesetz in Kolumbien soll verabschiedet werden

Mehr Befugnisse für Polizeibeamte. Neues Gesetz wird als Bedrohung wahrgenommen. Kritik von linken Abgeordneten in Senat und Kongress

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Wappen der kolumbianischen Nationalpolizei
Wappen der kolumbianischen Nationalpolizei

Cali. Das nach 44 Jahren erneuerte Polizeigesetz (Código de Policía) Kolumbiens schränkt nach Auffassung von Kritikern Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht stärker ein als das bisherige Gesetz. Auf 140 Seiten präsentiert die Kommission aus Delegierten des Verteidigungsministeriums, der Sicherheitsbehörden und der Nationalpolizei als Ergebnis einer dreieinhalb Jahre dauernden Debatte die 280 neuen Artikel. In zwei von vier Instanzen war das Gesetz Ende Juni bereits bestätigt worden. Eine Ablehnung im Kongress gilt als unwahrscheinlich, die Zustimmung des Präsidenten Juan Manuel Santos ist sicher.

Das Gesetz beinhaltet Neuerungen im Hinblick auf Privatsphäre von Individuen im Kontext der neuen Medien und sozialen Netzwerke bis hin zu Regeln für den öffentlichen Nahverkehr. Die Opposition nimmt es als Bedrohung wahr, da einzelne Grundrechte eingeschränkt oder deren Garantie unmöglich gemacht würden.

Grundsätzlich beinhaltet das neue Polizeigesetz massive Änderungen in der Leitlinie der Polizei weg von der Reaktion auf Straftaten hin zur Prävention.

Der umstrittenste Artikel betrifft die Regelung zu Hausdurchsuchungen. Künftig soll den Beamten der Zutritt zu privaten Wohnungen nach eigenem Ermessen ohne Durchsuchungsbefehl oder Rücksprache mit höher gestellten Beamten erlaubt sein. Die Begründung beruft sich auf den Schutz der Person oder weiterer Betroffener und die Wahrung öffentlicher Sicherheit. Dies öffnet nach Ansicht von Kritikern Tür und Tor für Missbrauch. Dass jeder Polizist nach persönlichem Ermessen in private Räume eindringen kann, mache die Menschen schutz- und wehrlos. Gerade in einem Land, in dem Polizeigewalt dramatische Ausmaße annehme, sei ein solcher Vorstoß problematisch.

Mit der Neuregelung befugt der Gesetzgeber die Polizei zudem zu Festnahmen von Personen aufgrund von "verändertem Bewusstseinszustand" und "agressivem oder leichtsinnigem Verhalten". Damit solle präventiv Sicherheit geschaffen beziehungsweise garantiert werden können. Der Senator Armando Benedetti Villaneda warnt, dass das subjektive Ermessen eines Polizisten über den Zustand einer Person in Zukunft ausschlaggebend für Festnahmen sei.

Kritik äußerte auch der Abgeordnete der linken Partei Polo Democrático, Alexander López Maya: "Das Gesetz schränkt das Bürgerrecht auf friedlichen Protest ein". Weiter stellte er fest, dass ein Präsident, der vom Frieden rede und gleichzeitig die Grundrechte einschränke, sich unglaubwürdig mache. Mit dem neuen Gesetz werde die Kriminalisierung von Protesten vorangetrieben, so Maya, es beinhalte restriktive Maßnahmen gegen öffentlichen Protest. So werde der Umgang damit den lokalen Autoritäten und Bürgermeistern unterstellt. Es könne nicht sein, "dass das legitime Recht auf Meinungsäußerung von der Erlaubnis irgendeines Bürgermeisters abhängt", sagte Maya.

Das Gesetz stelle Bürger unter Generalverdacht, so der Abgeordnete weiter: "In Kolumbien herrscht unter Beamten eine Kultur, die Bürger generell unter Verdacht stellt. Es gibt keine Unschuldsvermutung, sondern Unterstellung von Schuld. Aufgrund dieser Kultur wird das neue Polizeirecht missbraucht werden."