Kolumbien / Soziales

Proteste gegen Politik des Bürgermeisters von Bogotá

vendedora_ambulante.jpg

Eine informelle Händlerin in Bogotá
Eine informelle Händlerin in Bogotá

Bogotá. Seit Beginn des Jahres protestieren Bewohner der Hauptstadt Kolumbiens gegen die Politik des neuen Oberbürgermeisters Enrique Peñalosa Londoño. Es kommt immer wieder zu Demonstrationen. Kritik und Proteste gehen von informellen Händlern, Straßenverkäufern, Prostituierten, Jugendlichen und Obdachlosen aus.

Am 19. Januar 2016 hatte Peñalosa mit dem kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos einen Sicherheitsplan (PISC) für Bogotá vereinbart, mit dem nach offiziellen Angaben die vielen Morde und die hohe Kriminalität verringert werden sollen. Unter anderem werden "Säuberungen" der Straßen von informellem Kleinsthandel und Prostitution mittels Polizei und Sondereinheiten durchgesetzt. Die Kameraüberwachung in der Stadt sowie die Überwachung des privat betriebenen Metrobussystems Transmilenio werden ausgeweitet. Die Vereinbarung sieht außerdem ein Kontroll- und Kommandozentrum vor, das in direkter Verbindung mit dem Verteidigungs-, Innen- und Justizministerum steht. Mehrere "schnelle Einsatztruppen" (Super-URIs) wurden gegründet, um die Polizei bei Festnahmen zu unterstützen.

Im Internet erscheinen nun ständig neue Videos von Polizeiübergriffen. Die Einsätze werden von der neu gebildeten Spezialeinheit durchgeführt, die "den öffentlichen Raum zurückzuerobern" soll und bereits hunderte Straßenhändler vertrieben hat. Es gab mehrere Demonstrationen gegen dieses Vorgehen. Dabei forderten die Betroffenen faire Arbeitsbedingungen und Alternativen zum informellen Handel. Laut einem Erlass von 2004 sind lokale Regierungen verpflichtet, Alternativen für die Straßenhändler zu finden. Mangels anderer Arbeitsmöglichkeiten leben jedoch viele Familien noch immer vom informellen Sektor. Im Kolumbien waren im Jahr 2015 nach offiziellen Angaben 47,7 Prozent der Beschäftigungen in den 13 größten Städten informell.

Besonders Sexarbeiter, die ohnehin prekären Sicherheitsbedingungen und täglicher Gewalt ausgesetzt sind, machen auf die Konsequenzen der "sozialen Säuberung" von Peñalosa aufmerksam: Weibliche Prostituierte seien mehrfach von der neuen Einheit bedroht, schickaniert und verhaftet worden. Einer Umfrage der Gruppe Aktion gegen soziale Exklusion (Parces) zufolge hatten 98 Prozent der Prostituierten bereits negative Erfahrungen mit der Polizei, 77 Prozent sind Opfer polizeilicher Gewalt geworden. Laut dem Sprecher der Gruppe, Lanz Sánchez, sei die Polizeigewalt gegen marginalisierte Gruppen wie Drogenkonsumenten, Lesben, Transsexuelle, Schwule und Sexarbeiter systemisch, viele weibliche Prostituierte würden immer wieder die Nächte in Gewahrsam verbringen.

Peñalosa ist mit Unterstützung konservativer Parteien seit dem 1. Januar 2016 im Amt. Nun wird befürchtet, dass die vorher vom linksgerichteten Bürgermeister Gustavo Petro Urrego durchgesetzten Neuerungen zurückgenommen werden. Petro hatte unter anderem Zentren für Abtreibung eingerichtet, finanzielle Unterstützung für öffentlichen Nahverkehr in marginalisierten Vierteln durchgesetzt und mit dem Schusswaffenverbot die Mordrate auf eine seit Jahrzehnten niedrigste Rate gesenkt. Im Dezember 2013 gab es den Versuch, ihn durch einen juristischen Putsch des Amtes zu entheben. Tausende Bewohner der Stadt demonstrierten monatelang für seine Rückkehr.