Thyssenkrupp-Stahlwerk in Brasilien wird nicht geschlossen

Nach sechs Betriebsjahren errreicht TKCSA trotz nachgewiesener toxischer Emissionen und anhaltendem Widerstand von Betroffenen die behördliche Genehmigung

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Luftaufnahme des TKCSA-Geländes
Luftaufnahme des TKCSA-Geländes

Brasília. Das brasilianische Landesumweltkontrollamt hat trotz Protesten von Anwohnern und Fischern sowie anhängiger Klagen dem umstrittenen Stahlwerk Companhia Siderúrgica do Atlântico (TKCSA) des deutschen Industriekonzerns Thyssenkrupp die Betriebsgenehmigung für einen Zeitraum von fünf Jahren erteilt.

Damit muss Lateinamerikas größtes Stahlwerk trotz aller Unregelmäßigkeiten und Gesetzesverstöße nicht schließen.

Seit Jahren hatten die Fischer und Anwohner protestiert und demonstriert, Klagen eingereicht und den Protest auch nach Deutschland, ins Land des Mutterkonzerns Thyssenkrupp getragen. Nach sechs Betriebsjahren ohne gültige Genehmigung, die gemäß brasilianischem Umwelt- und Baurechts ab 2010, spätestens aber seit 2012 vom Werk hätte erreicht werden müssen, um eine Schließung des Stahlwerks zu verhindern, hat das Landesumweltkontrollamt CECA für den Konzern entschieden. Dies berichtet die in Rio de Janeiro erscheinende Tageszeitung O Dia. Demnach habe das Umweltkontrollamt trotz aller zu spät und auch der bis heute teilweise nicht erfüllten Auflagen einstimmig erklärt, das TKCSA-Stahlwerk könne nun die Betriebsgenehmigung erhalten. Sollte sich während der kommenden fünf Jahre eine gegen Gesetzesauflagen verstoßende Unregelmäßigkeit einstellen, werde sie wieder entzogen.

Der Thyssenkrupp-Konzern, der seit April dieses Jahres alleiniger Eigentümer des Stahlwerks ist, nachdem Vale seinen 27-Prozent-Anteil für den symbolischen Preis von einem US-Dollar an den Essener Stahlkocher verkauft hatte, kann somit die seit Jahren angekündigte Veräußerung des verlustträchtigen Werks in die Wege leiten. Als potentielle Interessenten sehen Beobachter den indischen Tata Steel-Konzern oder aber chinesische Unternehmen.

Die Entschädigungsklagen der Anwohner und Fischer wegen Einkommenseinbußen und Gesundheitsgefährdung laufen zwar weiter, aber aller Voraussicht nach werden sich die künftigen Käufer des Stahlwerks damit juristisch auseinanderzusetzen haben. Und die Anwohner werden weiter unter dem Stahlwerkstaub des Werks leiden, das bei einigen nur 250 Meter vom Wohnhaus entfernt steht und die Kohlendioxid-Emissionen des gesamten Stadtgebiets von Rio de Janeiro um 72 Prozent erhöht.

Wie eine Analyse des Landesumweltministerium Secretaria de Estado do Ambiente (SEA) aus dem Jahr 2012 ergeben hat, emittiert TKCSA schwermetallhaltigen Staub in die Umgebung. In dem Stahlwerkstaub finden sich „Zink, Silizium, Natrium, Mangan, Potassium, Kalzium, Aluminium, Vanadium, Titan, Schwefel, Phosphor, Nickel, Magnesium, Kupfer, Chrom, Kadmium, Blei.“ Das SEA bestätigte zudem, dass das ausgestoßene Pulver toxisch ist und Asthma, Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Missbildungen und vorzeitiges Ableben bewirken könnte. Der Bericht deutet an, dass in der Umgebung des Werks "ein Anstieg an Beschwerden in Bezug auf Atemwegserkrankungen, Hauterkrankungen, Augenerkrankungen" sowie Erschöpfungszustände und Stress sowie Verschlechterungen "bei Fällen von Bluthochdruck oder auch Diabetes" festzustellen seien. Thyssenkrupp hatte dagegen wiederholt behauptet, es befinde sich "nur Graphit" im Stahlwerkstaub

Mit Unterstützung der deutschen Nichtregierungsorganisation Medico International werden die Anwohner demnächst die ersten portablen Geräte zur Messung der Staub- und Feinstaubbelastung erhalten. Geschult werden sie von Fachkräften der dem brasilianischen Gesundheitsministerium unterstehenden Stiftung Fiocruz, damit sie selbst die Daten erheben und auswerten können. So kommt es zur absurden Situation, dass einerseits Behörden eine Bewilligung erteilen, während andere staatliche Stellen wie die Fiocruz oder die Bundesstaatsanwaltschaften die Anwohner auch in Zukunft unterstützen.

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