Argentinien / Politik

Ermittlungen gegen frühere Präsidentin von Argentinien wegen AMIA-Attentat

Vorwurf der "Verschleierung der Drahtzieher eines Terroranschlags". Fernández de Kirchner nennt Anschuldigungen "politische und juristische Verleumdung"

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Gedenkstätte an die Opfer des Attentats auf das jüdisch-argentinische Gemeindezentrum (AMIA) vor der israelischen Botschaft in Buenos Aires
Gedenkstätte an die Opfer des Attentats auf das jüdisch-argentinische Gemeindezentrum (AMIA) vor der israelischen Botschaft in Buenos Aires

Buenos Aires. Der oberste Strafgerichtshof von Argentinien nimmt nun doch die Ermittlungen des unter ungeklärten Umständen gestorbenen Staatsanwalts Alberto Nisman gegen Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und weitere ehemalige hochrangige Regierungsbeamte auf. Die Strafanzeige lautet auf Verschleierung der Verantwortlichen für den Terroranschlag auf das jüdisch-argentinische Gemeindezentrum (AMIA) 1994 in Buenos Aires. Dabei starben 85 Menschen, mehr als 300 wurden verletzt.

Vor rund zwei Jahren hatte Staatsanwalt Nisman, der mit der Aufklärung des Attentats betraut war, die Anschuldigungen gegenüber der damaligen Staatschefin erhoben. Wenige Tage nachdem diese öffentlich bekannt wurden, war er am 18. Januar 2015 erschossen in seiner Wohnung aufgefunden worden. Einen Tag darauf hätte er dem Senat seinen Bericht präsentiert. Ob sich der Staatsanwalt das Leben genommen hat oder ermordet wurde, ist bislang nicht geklärt.

Die Strafanzeige Nismans war nach seinem Tod von zwei Gerichtsinstanzen abgelehnt worden, darunter auch von Bundesrichter Daniel Rafecas. Seiner Auffassung nach entbehrte der Antrag auf Ermittlungen eines Straftatbestands.

Nun soll doch gegen Cristina Fernández ermittelt werden. Ihr wird vorgeworfen, zusammen mit dem ehemaligen Außenminister Héctor Timerman die vermeintlichen Täter des Attentats zu verschleiern. In den Anschlag mit einer Autobombe sollen iranische Staatsbeamte verwickelt gewesen sein. Grund für diese angebliche Verschleierung soll ein vorausgegangenes bilaterales Handelsabkommen zwischen Argentinien und dem Iran gewesen sein.

Nisman hatte seit 2004 ermittelt. Nachdem die Verantwortlichen für das Attentat rund zehn Jahre lang nicht festgestellt worden waren, hatte die Regierung Fernández 2013 ein Memorandum für eine Wahrheitskommission zur Aufklärung des AMIA-Attentats zwischen Argentinien und dem Iran angestoßen. Kritik und Empörung kamen damals von der jüdisch-argentinischen Gemeinde. Die Regierung entwerte die bereits laufenden Strafermittlungen nationaler Instanzen und gehe darüber hinaus ein Abkommen mit dem mutmaßlichen Urheber, dem iranischen Staat ein, so die Vorwürfe.

Die Israelitisch-Argentinische Vereinigungen (DAIA), die 2013 zu den Kritikern der Memorandums zählte, hatte unlängst ein neues Ermittlungsgesuch eingereicht. Die Kammer des Revisionsgerichts urteilte jetzt, Bundesrichter Rafecas habe trotz ausreichender Gründe für eine Ermittlung die Anzeige abgewiesen. "Um die zur Anklageerhebung eingebrachte Strafanzeige vor einer Ermittlung abzulehnen, darf nicht der geringste Zweifel, die fehlende juristische Diskussion oder ein ausstehender Beweis gegeben sein. Ebenso muss die Tatbestandsmäßigkeit eindeutig widerlegt sein", hieß es im Beschluss. Darüber hinaus bezeichneten die obersten Strafrichter die Entscheidung Rafecas als "willkürlich, vorschnell und parteiisch". Ihm wurde der Fall entzogen. Bislang wurde kein neuer Richter für die Ermittlungen ernannt.

Die Regierung hatte das Memorandum im Jahr 2013 damit begründet, dass eine Beteiligung des Iran Bewegung in die ins Stocken geratene Aufklärung des AMIA-Anschlags bringen könnte. Das Memorandum war zunächst vom argentinischen Kongress abgesegnet, jedoch vom obersten Gerichtshof als verfassungswidrig abgelehnt worden. Im Iran war es von beiden Instanzen zurückgewiesen worden.

Cristina Fernández sieht sich aktuell in mehrere Strafprozesse verstrickt. In diesen Tagen wurde Anklage gegen sie wegen "betrügerischer Verwaltung in schwerem Falle" erhoben. Auf den Urteilsspruch zu den Ermittlungen reagierte sie salopp per Tweet: "Jetzt klagen sie mich wegen der Verschleierung des vor 22 Jahren geschehenen AMIA-Attentats an. Das Einzige, was ihnen noch fehlt, ist, mich für den Tod (John F.) Kennedys verantwortlich zu machen."

Der ehemalige Vorsitzende der DAIA, Waldo Wolff, sagte während eines Interviews im öffentlich-rechtlichen Fernsehen TV Pública, die einzige Forderung sei, zu ermitteln, wie es nach dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit geboten sei. Der Vorsitzende der AMIA, Segio Burstein, äußerte, die angekündigten Untersuchungen führten nur zur weiteren politischen Instrumentalisierung der Opfer des Attentats.

Die Ermittlungen gegen Cristina Fernández werden voraussichtlich nach der in Argentinien üblichen Sommerpause der Justiz ab Februar 2017 anlaufen.

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