Opfer in Kolumbien wollen vor Internationalen Strafgerichtshof ziehen

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Protest gegen Straflosigkeit in Kolumbien. Die Änderungen der Jep zeigen den mangelnden Willen des Staats, schwere Menschenrechtsverbrechen zu untersuchen
Protest gegen Straflosigkeit in Kolumbien. Die Änderungen der Jep zeigen den mangelnden Willen des Staats, schwere Menschenrechtsverbrechen zu untersuchen

Bogotá. Eine Gruppe von 141 Menschenrechts- und Opferorganisationen in Kolumbien haben die Bildung einer Fachgruppe für internationale Rechtsstreitigkeiten angekündigt, mit der sie Verantwortliche für Verletzungen von Menschenrechten vor den Internationalen Strafgerichthof (IStGH) bringen wollen. Dass sie diesen Gerichthof als "einzigen Weg" sehen, Hauptverantwortliche für Menschenrechts- und Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, sei Folge der Modifizierung des Friedensvertrags durch den Staat. Dieser habe den größten Verbrechern des Konflikts einen "Mantel der Straflosigkeit" umgelegt, heißt es in einem Brief an den IStGH.

Gemeint sind die Änderungen der Übergangsjustiz für den Frieden (Jep), die die Regierung, das Parlament und der Verfassungsgerichtshof seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens im November 2016 vorgenommen haben. Infolge dieser Änderungen wird die Jep nur über Mitglieder der Ex-Farc-Guerilla, des Militärs und der Polizei richten. Sogenannte "Dritte", das heißt zivile Staatsbeamte, Politiker, Unternehmer und andere Zivilisten, die direkt oder indirekt Verbrechen des Konflikts zu verantworten haben, sind dann nicht verpflichtet, sich vor der Übergangsjustiz zu verantworten. Ebenso hat der Staat die Vorladung von hochrangigen Militärs erheblich erschwert.

In dem Brief, der auch an den UN-Sicherheitsrat und den Sonderberichterstatter für Wahrheit und Nichtwiederholung der UN adressiert ist, unterstreichen die Unterzeichner drei Momente der Modifizierung der Jep: Der erste war November 2016, als die Regierung einseitig den Bezug auf den Artikel 28 des Römischen Statuts des IStGH aus der finalen Version des Abkommens eliminiert hat. Der Artikel 28 legt fest, dass ein Befehlshaber für die Verbrechen seiner Untergebenen mitverantwortlich ist, solange diese unter seiner Kontrolle stehen.

Eine zweite Änderung kam im April 2017, als der Kongress den Rechtsrahmen der Jep durch den Rechtsetzungsakt 01 verabschiedet hat. Dieser setzt mehr Bedingungen als der Artikel 28 voraus, damit ein Befehlshaber der Sicherheitskräfte sich für die Aktionen seiner Untergebenen verantworten muss und verringert somit die Chance, dass dies passiert.

Die letzte Änderung, die die Gruppe von 141 Organisationen kritisiert, wurde in diesem Monat gültig, als der Verfassungsgerichtshof den Rechtsetzungsakts 01 bestätigte. Dabei hat das Gremium nicht nur die Bestimmungen des Kongresses über die Verantwortung von Befehlshaber akzeptiert, sondern setzte fest, dass die Jep nicht über Dritte und unbewaffnete Staatsvertreter urteilen darf, es sei denn, diese treten vor den Gerichten der Übergangsjustiz freiwillig auf. Das Verfassungsgericht hat auf diese Weise die Kritiken zur Jep ignoriert, die ihm die Chefanklägerin des IStGH, Fatou Besouda, kurz davor präsentiert hatte.

Diese Entscheidung zeige den mangelnden Willen des Staats, schwere Menschenrechtsverbrechen zu untersuchen, besonders wenn Staatsvertreter und Unternehmer darin verwickelt sind. Hinter den Änderungen der Exekutive, Legislative und Judikative stünden politische, ökonomische und militärische Interessen, heißt es in dem Brief weiter.

Unter den Unterzeichnern sind angesehene Menschenrechtsorganisationen wie das Anwaltskollektiv Alvear Restrepo (Cajar), die kolumbianische Juristenkommission (CJJ), die Koordination Kolumbien, Europa, USA (CCEEU) und die ökumenische Kommission Gerechtigkeit und Frieden (CIJP).