San Martín, Argentinien. Vor dem Strafgericht von San Martín in der Provinz Buenos Aires hat das mündliche Verfahren im Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschheit durch den US-amerikanischen Autohersteller Ford während der Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983) begonnen.
Als erster Zeuge ist der frühere Gewerkschaftsdelegierte Pedro Troiani über seine illegale Verhaftung, Inhaftierung und Folterung auf dem Werksgelände von Ford im Bezirk General Pacheco nördlich der Hauptstadt Buenos Aires befragt worden. Troiani berichtete, wie er im April 1976 zusammen mit vier weiteren Gewerkschaftern an seinem Arbeitsplatz von Militärs verhaftet und in einen als Folterzentrum fungierenden Schuppen auf dem Sportplatz innerhalb des Werksgeländes verbracht worden war. Für den Gefangenentransport seien betriebseigene LKW verwendet worden. Die Militärs, die ihn verhörten, hätten Kopien seiner Ford-Personalakte vor sich liegen gehabt. "Von da an war ich überzeugt, dass das Unternehmen in all das mit verwickelt ist", so Troiani in seiner Aussage.
Angeklagt sind bei dem Prozess zwei ehemalige leitende Angestellte von Ford sowie ein hochrangiger Militär. Pedro M. Müller war Produktionsmanager des Unternehmens, Héctor Sibilla Leiter des betriebsinternen Sicherheitsdienstes. Der ehemalige Militär Santiago Omar Riveros wiederum kommandierte von 1975 bis 1979 die Militärzone 4, zu der auch das Ford-Werk in General Pacheco gehörte. Er wurde bereits in vorangegangenen Verfahren mehrfach wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt. Den drei Angeklagten werden illegale Freiheitsberaubung und Folterung von insgesamt 24 Arbeitern, überwiegend Gewerkschaftsmitgliedern, vorgeworfen. Zwei weitere Beschuldigte konnten sich indes dem juristischen Verfahren entziehen. Der ehemalige Geschäftsführer von Ford Argentinien Nicolás Enrique Julián Courad starb bereits im Jahr 1989. Gegen den früheren Ford-Manager Guillermo Galárraga wurde zwar das Verfahren eingeleitet, er starb aber im Vorjahr, noch bevor es in die mündliche Verhandlungsphase ging.
Das Verfahren gegen die Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen bei Ford hatte sich über viele Jahre hingezogen. Bereits im Zuge der argentinischen Wahrheitskommission im Jahr 1984 kamen Aussagen von Betroffenen zutage, die auf eine systematische Verstrickung der Unternehmensleitung in die Entführung, illegale Internierung und Folterung seiner eigenen Belegschaft hinwiesen. Aufgrund der Amnestiegesetze der Achtziger und Neunziger Jahre kamen jedoch sämtliche Untersuchungen zum Erliegen. Im Jahr 2002 wurden schließlich erneut gerichtliche Untersuchungen eingeleitet, die in einer Anzeige durch die Staatsanwaltschaft mündeten. Der Fall landete nacheinander bei unterschiedlichen Gerichten, bis er im Jahr 2006 an das Gericht in San Martín abgegeben wurde, wo er jedoch für weitere sieben Jahre liegen blieb. Erst im Juni 2014 kam es zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens. Der zunächst für März 2017 angesetzte Beginn des mündlichen Verfahrens musste erneut verschoben werden. Am 19. Dezember wurde es schließlich eröffnet.
Der US-amerikanische Autokonzern Ford ist seit 1913 in Argentinien präsent. Zum Zeitpunkt des Militärputsches waren im Werk in General Pachecos rund 7.000 Mitarbeiter beschäftigt. Mindestens 37 Beschäftigte wurden bisherigen Forschungen zufolge entweder von ihrem Arbeitsplatz oder von zu Hause entführt, illegal festgehalten und gefoltert. Im Fokus der Repression standen dabei Gewerkschafter, von denen mindestens 24 zu Opfern von Entführung und Folter wurden. Nach ihrer vorläufigen Internierung auf dem Werksgelände wurden die meisten an andere Haftorte überstellt und oft erst Monate später in offizielle Polizeihaft übernommen.
Die Anwältin der gemeinsam als Nebenkläger auftretenden Entführungs- und Folteropfer, Elisabeth Gómez Alcorta, sagte vor Verhandlungsbeginn: "Ford ist ein prototypischer Fall wegen der Unterstützung des Staatsterrorismus durch die Unternehmensleitung. Sie reichte von der Einrichtung eines geheimen Folterzentrums auf dem Betriebsgelände über die militärische Präsenz auf demselben bis zur Übergabe von Informationen über die Arbeiterschaft und zur Bereitstellung von Fahrzeugen und Treibstoff für die Repressionsmaßnahmen."
Am gestrigen Samstag, dem Jahrestag des Militärputsches von 1976, gingen wieder Angehörige der Zehntausenden Diktaturopfer sowie Überlebende des Terrors in Buenos Aires auf die Straße.