Mexiko-Stadt. Der scheidende Präsident von Mexiko, Enrique Peña Nieto, hat kurz vor der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag zehn Dekrete zur Freigabe von 300 bisher geschützten Wassereinzugsgebieten unterzeichnet. Experten befürchten Einschränkungen des Rechts auf Wasser und die Ausbeutung des Rohstoffs durch die Privatwirtschaft mit gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt. Die neu auszustellenden Konzessionen betreffen 55 Prozent der mexikanischen Flüsse und Seen und sollen bis zu 50 Jahre gelten.
Trotz des Widerstandes aus Opposition, Wissenschaft und Zivilgesellschaft leitete die amtierende Regierung im Endspurt des Wahlkampfes erste Schritte für die Privatisierung des Wassers ein. Die bisher unter dem Allgemeinen Wassergesetz geschützten Wassereinzugsgebiete werden zur Vergabe durch die lokalen Regierungen freigegeben. Mit der Unterzeichnung der Dekrete umgeht Peña Nieto den Widerstand gegen die Privatisierungsinitiative und die Wasserumleitung vom ländlichen in den städtischen Raum.
Zwar sollen bei der Vergabe von Wassernutzungsrechten Anträge bevorzugt werden, die der häuslichen und öffentlichen Nutzung in Städten dienen, jedoch sehen Experten eine Eintrittstür für Unternehmen. Die Organisation Agua para Todos (Wasser für alle) warnte, dass der Großteil der Gewässer sich in Gebieten befinde, die besonders für wirtschaftliche Aktivitäten wie Bergbau, Fracking und den Abbau fossiler Brennstoffe attraktiv seien.
Ohne Moos nix los
Ihnen gefällt die Berichterstattung von amerika21? Damit wir weitermachen können, brauchen wir Ihre Unterstützung.
Neben Risiken für Ökosysteme bringt die neue Rechtslage vor allem die Lebensgrundlage indigener und landwirtschaftlicher Gemeinschaften in Gefahr. Laut einer Prognose von Agua para Todos wird ein Großteil den Zugang zu Wasser verlieren. Viele Gemeinschaften bezögen den Rohstoff aus Wasserflächen, für die ihre Nutzungsrechte offiziell abgelaufen seien. Landesweit gäbe es schätzungsweise 50.000 solcher abgelaufenen Konzessionen, so die Organisation. Auch indigene Rechtsansprüche auf Wasser finden in den neuen Dekreten keine Anerkennung.
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteure warnten nach der Unterzeichnung der Dekrete vor möglichen Rechtsverletzungen. Die Nichtregierungsorganisation EDUCA verwies anhand eines aktuellen Falls im südlichen Bundesstaat Oaxaca auf Übereignung von Schutzgebieten an Konzern. In einer der seit Anfang Juni freigegebenen Wasserflächen rund um den Fluss Papaloapan plant der multinationale Energiekonzern ENERSI Generación SA ein regionales Großprojekt zur Gewinnung von Wasserenergie. Die Planung stieß bereits in der Vergangenheit auf scharfe Kritik aus den umliegenden Gemeinden, die durch Sprengungen und Abholzungen geschützter Waldflächen erhebliche Folgen für ihr Leben und die Umwelt sehen.