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Wut in Brasilien nach Brand in Nationalmuseum

90 Prozent der Artefakte zerstört. Proteste gegen De-facto-Regierung. Haben Sparmaßnahmen Vernichtung des Kulturguts provoziert?

Rio de Janeiro. Nach einem verheerenden Brand im Nationalmuseum von Brasilien in Rio de Janeiro, der die Ausstellungsstücke auf rund 13.000 Quadratmetern fast vollständig vernichtet hat, wird massive Kritik an der Regierung von De-facto-Präsident Michel Temer laut. Demonstranten warfen der Staatsführung vor, durch Sparmaßnahmen die Vernichtung des Kulturguts provoziert zu haben. Temer habe sich eines historischen Verbrechens schuldig gemacht, hieß es seitens der Demonstranten.

Das Feuer war nach Ende der Besucherzeiten am Sonntagabend gegen 19.30 Uhr ausgebrochen. Erst nach sechs Stunden konnte der Brand von den Einsatzkräften unter Kontrolle gebracht werden. Annähernd 80 Feuerwehrmänner aus zwölf verschiedenen Feuerwachen der Stadt waren angerückt. Ein Teil des Museumsinneren brach in sich zusammen. Die Löscharbeiten seien zudem durch fehlendes Wasser der Hydranten in der Nähe erschwert worden, so der Generalkommandant der Feuerwehr Rios, Roberto Robadey. Die Feuerwehr musste zuerst Tanklaster anfordern und mit Wasser aus einem naheliegenden See pumpen.

Der Universitätsrektor, Roberto Leher, der für die Verwaltung des Museums verantwortlich ist, kritisierte das Vorgehen der Einsatzkräfte, welche seit Februar – wie auch die Polizei – durch ein Dekret für öffentliche Sicherheit des Interimspräsidenten Temer der Bundesregierung unterstehen. "Es ist offensichtlich, dass die Art des Einsatzes in keiner Proportion zum Ausmaß des Feuers stand. Wir haben klar gesehen, dass es an Logistik und Infrastruktur bei der Einsatztruppe gemangelt hat", kritisierte er in einem Interview. Mehr Einsatzkräfte hätten das Feuer sicherlich unter Kontrolle gebracht, so Leher weiter. Die Vizedirektorin des Museums, Cristiana Serejo, sagte, dass 90 Prozent der Archive verbrannt seien.

Das Museum selbst habe zudem über kein Brandschutzsystem verfügt. Diese Sicherheitsvorrichtung sollte mit finanzieller Unterstützung der staatlichen Entwicklungsbank BNDES von 21 Millionen Reais (rund vier Millionen Euro) installiert werden. Die Universität verfügt nicht über ausreichende Mittel, um die Bauarbeiten alleine tragen zu können.

Als staatliche Universität ist sie wie viele andere Hochschulen im Land von den starken Budgeteinschränkungen der Regierung betroffen. Museumsdirektor Alexander Keller macht daher auch die De-facto-Regierung wegen der fehlenden Zuteilung von Haushaltsmitteln verantwortlich. Er habe darauf schon zum 200-jährigen Jubiläum aufmerksam gemacht. Zwischen 2013 und 2018 hatte sich das Budget von 500 Millionen auf lediglich 43 Millionen Reais (rund neun Millionen Euro) verringert. Tatsächlich verfügt kein brasilianisches Museum über einen Versicherungsschutz der Archive, welche auch die Schäden an Gebäuden einschließt, sagte der Experte in Sicherheitsmanagement der britischen Versicherung JLT, Robert Muniz.

Das Nationalmuseum in Rio de Janeiro ist das älteste Museum des Landes und untersteht administrativ der Bundesstaatlichen Universität von Rio de Janeiro. Schwierigkeiten hatte es in der Vergangenheit vor allem bezüglich des Budgets für die Instandhaltung gegeben. Seit 2014 erhielt die Institution keine Haushaltsmittel mehr, die in Höhe von jährlich 520.000 Reais (rund 109.000 Euro) den Betrieb unterstützen sollten. Dieser Geldmangel wurde vor allem durch bauliche Missstände wie nicht verputzte, abgebröckelte Wände und offenliegende Kabel deutlich. Das Museum befand sich in einem alten Palast aus dem 19. Jahrhundert. Sein Archiv umfasste 20 Millionen Artefakte kulturellen und wissenschaftlichen Interesses in verschiedenen paläontologischen, anthropologischen und ethnobiologischen Sammlungen, welche so umfangreich waren, dass lediglich ein Prozent ausgestellt wurde.