Guatemala / Politik

Regierung in Guatemala missachtet Urteil des Verfassungsgerichtshofes

Präsident Jimmy Morales und Nationaler Sicherheitsrat verweigern Einhaltung des Vertrages über Arbeit der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit

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Am 20. September fanden in Guatemala erneut große Demonstrationen in der Hauptstadt und in vielen Teilen des Landes gegen Korruption und für den Rücktritt von Präsident Morales statt
Am 20. September fanden in Guatemala erneut große Demonstrationen in der Hauptstadt und in vielen Teilen des Landes gegen Korruption und für den Rücktritt von Präsident Morales statt

Guatemala-Stadt. Am vergangenen Freitag hat die Regierung von Guatemala über den Kurznachrichtendienst Twitter ihre Entscheidung mitgeteilt, Maßnahmen gegen den unabhängigen Verfassungsgerichtshof einzuleiten. Unter dem Vorwand der "Verteidigung der Verfassung" setzt sie damit einen weiteren Schritt zur Aufhebung der Gewaltenteilung.

Der Gerichtshof hatte einstimmig beschlossen, die Regierung müsse dem Vertrag mit den Vereinten Nationen (UN) über die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) nachkommen und dem Gesandten die Einreise gestatten. Differenzen mit den UN müssten auf diplomatischem Wege gelöst werden. Bei Nichtbefolgung dieses Beschlusses sei die Amtsenthebung der Verantwortlichen einzuleiten. Das Gericht gab damit einer von zahlreichen Beschwerden recht, die das Einreiseverbot gegen den internationalen Kommissionär Iván Velásquez als rechtswidrig betrachteten. Die Vorsitzende, Gloria Patrica Porras Escobar, bestätigte im Interview die eindeutige Interpretation des Gerichtsspruchs und dass dieser Guatemala verpflichte, Velásquez sofort die Einreise zu ermöglichen.

Präsident Jimmy Morales hatte am 31. August erklärt, er werde das im September 2019 auslaufende Mandat der CICIG nicht verlängern. Nachdem Velásquez eine geplante Dienstreise in die USA antrat, erklärte er ihn zu einer "Bedrohung der nationalen Sicherheit" und untersagte ihm die Wiedereinreise.

Der Nationale Sicherheitsrat, Beratungsgremium von Morales, verkündete, dem Gerichtsbeschluss nicht nachzukommen und Velásquez die Einreise nicht zu gestatten. Außenministerin Sandra Jovel setzte UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einem Brief ein Ultimatum von 48 Stunden, um der Regierung Vorschläge für eine neue Leitung der CICIG mitzuteilen.

Generalstaatsanwältin Maria Consuelo Porras weigerte sich zwar, von Amts wegen gegen die Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats vorzugehen, gestattete aber dem Sonderstaatsanwalt gegen die Straflosigkeit, Juan Francisco Sandovial, ein Untersuchungsverfahren gegen die Außenministerin einzuleiten. Sie forderte das Verfassungsgericht, das in seinem Urteil keine Namen genannt hatte, dazu auf, zu erläutern, ob Iván Velásquez die Einreise gestattet werden müsse.

Die Antwort von Guterres war indes deutlich: er sehe keinen Grund, Velásquez sein Vertrauen zu entziehen. Er verwies auf die durch die guatemaltekische Regierung gesetzten Hindernisse trotz des gegenteiligen Beschlusses des Verfassungsgerichts und ersuchte den Kommissionär, angesichts dieser Umstände einen Hilfskommissionär seiner Wahl vor Ort einzusetzen. Noch am gleichen Abend erläuterte das Gericht seinen Beschluss: Iván Velásquez sei die Einreise nach Guatemala zu gestatten. Diese Klärung war mit drei gegen zwei Stimmen verabschiedet worden.

Hochrangige ehemalige Diplomaten Guatemalas bedankten sich unterdessen in einem Brief bei UN-Generalsekretär Guterres für die beispiellosen Erfolge der CICIG und drückten "Scham und Bestürzung" über das Vorgehen der aktuellen Regierung aus. Die Ombudsstelle für Menschenrechte leitete rechtliche Schritte ein und forderte unter anderem die sofortige Amtsenthebung von Innenminister Enrique Degenhart und Außenministerin Jovel.

Nach diesen Tagen des intensiven Rechtsstreits sollte der für 20. September angekündigte Generalstreik stattfinden. Angesichts der ausbleibenden Unterstützung durch große Unternehmen war der Tag vor allem durch große Demonstrationen sowohl in der Hauptstadt als auch in vielen Teilen des Landes und durch umfangreiche Präsenz der Polizei geprägt.

Die schriftlichen Ausführungen zu den Erläuterungen des Verfassungsgerichts und damit die offizielle Übermittlung an die Regierung und ihr Inkrafttreten ließen länger als gesetzlich vorgeschrieben auf sich warten. Bereits vorab verkündete der Anwalt Raúl Falla Ovalle in einem Fernsehinterview, er habe die Begründungen der Gegenstimmen gelesen und sehe sich in seinem Kurs gegen die CICIG bestätigt. Solch ein Zugang zu nicht abgeschlossenen Gerichtsentscheidungen wäre ein illegaler Akt, der auch eine politische Einflussnahme auf die schriftliche Begründung nicht ausschließt.

Bisher wurden nur ein Viertel der versprochenen Arbeitsvisa für die ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CICIG ausgestellt.