Havanna. Die laufende Volkaussprache über Kubas neue Verfassung geht in ihre letzte Phase. Bisher haben sich mehr als 7,37 Millionen Kubaner an der Debatte beteiligt, die noch bis zum 15. November läuft. Auf diese Weise kamen so bereits rund 660.000 Änderungsvorschläge zusammen, wie die Nachrichtenagentur Prensa Latina berichtet. Zu den umstrittensten Themen in der Debatte zählen neben der Schaffung der Grundlagen für die gleichgeschlechtliche Ehe auch die Einführung von Amtszeitbeschränkungen in den Spitzenämtern von Staat und Partei.
Von den 755 Einzelabschnitten, aus denen sich der im Juli veröffentlichte Verfassungsentwurf zusammensetzt, blieben lediglich acht ohne jeden Änderungswunsch. "Die Bevölkerung war bei dieser Diskussion kein Zuschauer, sondern hat sich aktiv an der Debatte beteiligt", erklärte der kubanische Verfassungsrechtler und Staatssektretär Homero Acosta im Fernsehen. Dabei habe es zahlreiche wertvolle Beiträge gegeben, welche bei der anstehenden Überarbeitung des Textes berücksichtigt werden. "Keiner der Vorschläge wird vergessen werden. Wir können zwar nicht alle integrieren, werden jedoch jede Idee prüfen. Alles, was den Text robuster macht, ist von Wert", so Acosta.
Laut dem vorläufigen Bericht wurden bei den mehr als 111.800 Diskussionsrunden, welche seit dem 13. August in Betrieben und Wohnvierteln stattfinden, bisher 560.000 Änderungsvorschläge, 27.238 Ergänzungen, 38.505 Streichungen und 33.781 Rückfragen zusammengetragen. Während manche Vorschläge dabei tausendfach formuliert wurden, seien andere wichtige Beiträge nur einmal vorgebracht worden. Bei der Analyse der Vorschläge, welche mit einer von Kubas Informatikuniversität UCI eigens entwickelten Software durchgeführt werden soll, gehe es daher sowohl um die quantitative als auch um eine qualitative Auswertung der Daten.
Bisher zeichnete sich ab, dass in erster Linie die sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen auf großen Wiederhall stießen. Vor allem das Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe hat sich in Bezug auf die Anzahl der eingebrachten Vorschläge hervorgetan. Wie kubanische Medien in den vergangenen Wochen berichteten, wurde vor allem diese Debatte teilweise sehr polemisch geführt. Während in manchen Versammlungen die Mehrzahl der Teilnehmer eine mögliche Öffnung der "Ehe für alle" strikt ablehnten, kämpft Kubas LGBT-Community bereits seit vielen Jahrzehnten für diesen Schritt. Präsident Miguel Díaz-Canel erklärte in seinem ersten Fernsehinterview mit dem lateinamerikanischen Nachrichtensender Telesur im Sommer, dass er diese Neuerung in dem Text unterstütze. In der bisherigen kubanischen Verfassung wird die Ehe als Bund "zwischen Mann und Frau" definiert, wohingegen der Entwurf lediglich von "zwischen zwei Personen" spricht.
Darüber hinaus wurden auch die Paragraphen zu den vorgeschlagenen Amtszeitbeschränkungen, zur Ernennung der Gouverneure, zum Recht auf eine würdige Unterkunft sowie zum Recht und zur Pflicht auf Arbeit mit vielen Diskussionsbeiträgen bedacht. Auch das Alterslimit von höchstens 60 Jahren für den Präsidenten bei Amtsantritt befindet sich in der Liste der meistdiskutierten Paragraphen. 81 Prozent der eingegangenen Vorschläge wurden bereits ausgewertet. In einem nächsten Schritt wird die Redaktionskomission unter Vorsitz des KP-Generalsekretärs Raúl Castro ab dem 15. November ihre Arbeit wieder aufnehmen, um die finale Version des Textes herzustellen. Über sie soll dann im Februar 2019 im Rahmen eines landesweiten Referendums entschieden werden, welches für Februar 2019 angesetzt ist. Die neue Verfassung soll den bisherigen Text ablösen, welcher 1976 verabschiedet wurde und 1992 und 2002 zuletzt revidiert wurde.