Buenos Aires. In der argentinischen Provinz Chubut hält eine Gruppe von bis zu zehn Personen, unter ihnen Familien mit Kindern, seit mehr als zwei Wochen den Landsitz El Platero besetzt. Lokalen Medienberichten zufolge hatten sich die Mitglieder der Mapuche-Gemeinde Lof Kurache am 25. Dezember mit Bannern auf dem Grundstück niedergelassen. In einer Pressemitteilung erklären sie: "Wir haben wiedererlangt, was uns dem Ahnenrecht nach zusteht." Ein Arbeiter des Landguts hatte das Grundstück verlassen, um die Weihnachtsfeiertage mit seiner Familie zu verbringen. Das Areal ist auf eine Firma eingetragen, die dem italienischen Modereisen Benetton gehört.
Der Chef der lokalen Polizeistation, Vicente Avilés, sagte, man versuche ein polizeiliches Einschreiten zu verhindern und einen Kompromiss beider Parteien zu erzielen. "Mit Mitteln der Staatsgewalt die Besetzer zu identifizieren, wäre eine letztmögliche Option", betonte er.
Für die Vermittlung sind auch Vertreter der Staatlichen Behörde für indigene Angelegenheiten (INAI) vor Ort. "Es beginnt eine neue Etappe, in der anstatt Repression und Gewalt ein Dialog vorherrschen wird", versicherte Magdalena Odarda. Sie hatte mit dem Amtsantritt der neuen Regierung unter Präsident Alberto Fernández den Vorsitz der Institution übernommen, zuvor war sie Abgeordnete im Senat.
"Es ist das erste Mal, dass ein Präsident der INAI direkt in die Konfliktlösung eingreift. Wir finden es wichtig, dass die nationale Regierung eine klare Position bezieht, ohne Repression", so Odarda.
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Der Landsitz El Platero ist Teil des insgesamt 900.000 Hektar großen Landbesitzes der Compañía de Tierras Sud Argentina SA. Das Unternehmen gehört dem italienischen Modekonzerns Benetton und macht Luciano Benetton zum größten privaten Landbesitzer in Argentinien. In den 1990er Jahren hatte das Unternehmen die Ländereien gekauft. Seit Jahrzehnten kämpfen die dort ansässigen Mapuche um ihr Recht auf Land. Neben Wolle wird auf dem Land des Konzerns auch Fleisch und Getreide produziert sowie Kiefern angepflanzt. Auch Erdöl-, Wasser- und Erdgasvorkommen machen die Ländereien wertvoll.
Teilnehmer der aktuellen Besetzung in Chubut kritisierten, es gäbe "keine oder kaum vorhandene Politiken der Rückgabe von produktiven Ländereien" angesichts großer Landkonflikte: "Man zieht es auch im Fall Chubut vor, Ministerien für Bergbau und Erdgas zu schaffen anstatt öffentliche Strukturen für Enteignung und Rückgabe von unrechtmäßig erlangtem Großgrundbesitz oder interkulturellen Schulen auf dem Land, um die Landflucht von indigenen Gemeinschaften in die Städte zu bremsen."
Eine weitere Besetzung unweit der bei Touristen beliebten Stadt Bariloche hatte Ende Dezember Aufmerksamkeit erregt. Mitglieder der Mapuche-Gemeinde Lafken Winkul Mapu hatten das Seeufer des Lago Mascardi besetzt und damit ein Gebiet ausgeweitet, dass sie seit zwei Jahren beanspruchten. Im Jahr 2017 war auf diesem Gebiet im Rahmen einer staatlichen angeordneten Räumungsaktion der 22-jährige Mapuche-Aktivist Rafael Nahuel erschossen worden. Seit kurzem kontrollieren die Mapuche nun auch das touristisch wichtige Gebiet um den See. Auswirkungen auf den Tourismus hatte das nach Berichten der lokalen Zeitung Río Negro nicht.
Gerade in Zeiten steigender Investitionen für Erdöl- und Erdgasförderung im Süden Argentiniens spitzen sich Landkonflikte zu. Auf dem Gebiet "Vaca Muerta" im Becken von Neuquén befindet sich eine der weltweit größten Ölschiefer-Lagerstätten der Welt. Richtungweisend könnte hier im vergangenen Jahr das Urteil eines Richters gewesen sein, der erstmalig Mapuche der Gemeinschaft Campo Maripe freigesprochen hatte. Ihnen war vorgeworfen worden, Land bei Vaca Muerta unrechtmäßig besetzt zu haben. Viele Mapuche feierten das Urteil als Meilenstein.