Berlin/Brasília. Der ehemalige brasilianische Präsident (2003-2010) Luiz Inácio Lula da Silva besucht in der zweiten Märzwoche Berlin. Der Mitbegründer der brasilianischen Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) kommt auf Einladung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in die deutsche Hauptstadt. Lulas politische Tournee führte ihn in den vergangenen Wochen bereits nach Rom, Genf und Paris. Dort wurde ihm für seinen Einsatz für die sozialen Menschenrechte die Ehrenbürgerschaft der französischen Hauptstadt verliehen.
Seit April 2018 saß Lula wegen angeblicher Korruption für 580 Tage im Gefängnis. Der Prozess war nach Ansicht von Beobachtern von den Ermittlern und dem damaligen Richter und heutigen Justizminister Sérgio Moro manipuliert worden. Lulas aussichtsreiche Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2018 wurde von den Behörden untersagt. Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs befindet sich Lula seit November 2019 vorläufig wieder in Freiheit.
Die PT regierte bis zum Sturz von Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff 2016 durch eine politisch motivierte Amtsenthebung fast 14 Jahre lang Brasilien. In dieser Zeit machte das Land bedeutende Fortschritte bei der Bekämpfung der Armut und der gesellschaftlichen Teilhabe benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Heute ist die soziale Misere zurückgekehrt. Die Regierung des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro diskriminiert Afrobrasilianer, Frauen und Indigene. Umweltschützer und soziale Bewegungen sind verschärften Repressionen ausgesetzt.
Am kommenden Montag wird Lula auf einer Konferenz der Gewerkschaft IG Metall und der Globalen Gewerkschaftsföderationen IndustriALL und UNI Global Union in Berlin eine Rede halten. 120 Teilnehmer aus verschiedenen europäischen Ländern wollen dort über transnationale Strategien zur Stärkung der Gewerkschaften im Kontext aktueller Herausforderungen in der Weltwirtschaft diskutieren. Der Präsident von IndustriALL und IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hoffmann wird mit Lula zu einem Gespräch zusammenkommen. Bereits seit Jahrzehnten sind Metall-Gewerkschafter aus Deutschland in der Brasilien-Solidarität aktiv.
Auf Lulas Programm steht in den kommenden Tagen auch ein Treffen mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der FES Michael Sommer. Sommer leitete von 2002 bis 2014 den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Weiterhin sind Zusammenkünfte mit dem SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans sowie den sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Yasmin Fahimi und Martin Schulz vereinbart. Im Berliner Karl-Liebknecht-Haus wird Lula von den Linke-Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger zum Gespräch erwartet.
Öffentlicher Höhepunkt der Berliner Lula-Visite ist eine abendliche Kundgebung am Dienstag, dem 10. März, im Festsaal Kreuzberg. Dazu werden Hunderte Teilnehmer erwartet. Unter dem Motto “Verteidigung der Demokratie in Brasilien” will der Politiker die Angriffe der Bolsonaro-Regierung auf den Rechtsstaat und die sozialen und kulturellen Rechte anprangern. Ein zentrales Thema wird auch die Zunahme der Ungleichheit in der Welt infolge neoliberaler Politik sein. Zu den Veranstaltern gehören neben FES und IG Metall mehrere Organisationen der brasilianischen Demokratiebewegung im Ausland sowie Solidaritätsgruppen.