Nazis in Argentinien: Liste mit Namen von 12.000 Mitgliedern der NSDAP veröffentlicht

Simon-Wiesenthal-Center macht Liste publik. Bis zu 33 Milliarden Euro aus geraubtem jüdischen Vermögen auf Schweizer Bankkonto

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Das Simon-Wiesenthal-Center hat Dokumente zu Nationalsozialisten und deren Vermögen in Argentinien veröffentlicht
Das Simon-Wiesenthal-Center hat Dokumente zu Nationalsozialisten und deren Vermögen in Argentinien veröffentlicht

Buenos Aires/Zürich. Eine aus den 1940er Jahren stammende Liste mit Namen und Daten von rund 12.000 in Argentinien ansässigen Mitgliedern der faschistischen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) ist kürzlich dem Simon-Wiesenthal-Center übergeben worden. Das Dokument ist das Ergebnis der "Sonderkommission zur Untersuchung antiargentinischer Aktivitäten", die Ende der 1930er Jahre vom damaligen Staatspräsidenten Roberto Ortiz zur Eindämmung nationalsozialistischer Umtriebe in Argentinien eingesetzt worden war.

Die Daten wurden von der Sonderkommission im Zuge einer Razzia in der Zentrale der Deutschen Arbeitsfront in Buenos Aires im Jahr 1941 erhoben und zusammengestellt. Nach dem Militärputsch durch die Nazi-freundliche "Gruppe Vereinigter Offiziere" (GOU) im Jahr 1943 wurden jedoch fast alle Versionen der Liste vernichtet.

Im Jahr 1984 gelangte der argentinische Forscher Pedro Filipuzzi aufgrund eines Zufallsfundes in einer aufgelassenen Lagerhalle in den Besitz einer Version der originalen Liste. Erst kürzlich übergab er sie dem Simon-Wiesenthal-Center. Warum die Liste erst 36 Jahre später an die Öffentlichkeit gelangt, bleibt in den offiziellen Stellungnahmen und internationalen Presseberichten unbeantwortet.

Aktuelle Brisanz erhält das Dokument, da aus ihm hervorgeht, dass zahlreiche der darin aufgelisteten Privatpersonen und Unternehmen Bankverbindungen in die Schweiz unterhielten. Ein Großteil soll Überweisungen auf ein einheitliches Konto der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt, heute Credit Suisse, mit Sitz in Zürich getätigt haben. Die Überweisungen belaufen sich auf einen aktuellen Wert von rund 33 Milliarden Euro. Laut den Einschätzungen des Simon-Wiesenthal-Centers ist davon auszugehen, dass es sich dabei um Geldwäsche geraubten jüdischen Vermögens handelt, welches über argentinische Firmen und Privatpersonen auf die Schweizer Konten geschleust wurde.

Shimon Samuels, Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen, und Ariel Gelblung, Verantwortlicher für die Region Lateinamerika beim Simon-Wiesenthal-Center, forderten die Credit Suisse auf, Einsicht in die betreffenden Konten mit Argentinien-Bezug zu gewähren. "Wir glauben, dass dieses Geld, das sich heute auf inaktiven Konten befindet, das Ergebnis der Plünderung jüdischen Vermögens ist", heißt es in dem betreffenden Schreiben.

Die Credit Suisse informierte in einem offiziellen Kommuniqué, man werde die Situation erneut analysieren und stehe diesbezüglich im Austausch mit dem Wiesenthal-Center. Zugleich wies die Bank aber auch darauf hin, dass man bereits mit der sogenannten "Volcker-Kommission" zusammengearbeitet hätte. Infolge der in den 1990er Jahren vom US-amerikanischen Banker Paul Volcker geleiteten Ermittlungen hinsichtlich der Verstrickung Schweizer Banken in die Geschäfte mit geraubtem jüdischen Vermögen hatte sich die Credit Suisse gemeinsam mit anderen Banken im Jahr 1998 zur Zahlung von 1,25 Milliarden US-Dollar bereit erklärt. Die nun in Argentinien aufgetauchte Liste heizt die Diskussionen um den tatsächlichen Wert des bis heute auf Schweizer Konten gebunkerten geraubten jüdischen Vermögens erneut an.

Die Liste wirft aber auch Licht auf die Geschichte Argentiniens in den 1930er und 1940er Jahren und die Beziehungen der damaligen Regierungen zu Nazi-Deutschland und dessen Sympathisanten. So konnten die faschistischen Organisationen während der Amtszeiten der Präsidenten José Felix Uriburu (1930-1932) und Agustín P. Justo (1932-1938) frei walten. Sie unterhielten zwei Zentralen im Zentrum von Buenos Aires und veranstalteten im April 1938 eine öffentliche Massenkundgebung mit Tausenden Teilnehmern aus Anlass des "Anschlusses" Österreichs an das Deutsche Reich.

Staatspräsident Juan Domingo Perón (1946-1955) wiederum setzte Rodolfo Freude als seinen Privatsekretär ein. Laut dem Historiker Uki Goñi soll Freude in dieser Funktion als Kontaktmann und Fluchthelfer für nach Argentinien geschleuste hochrangige NS-Funktionäre wie Adolf Eichmann, Erich Priebke oder Josef Mengele agiert haben. Rodolfos Vater, Ludwig Freude, scheint auch auf der nun veröffentlichten Liste mit Bezug zu dem Konto bei der Schweizerischen Kreditanstalt zu stehen. Sein Enkel Alfredo Freude fordert von der Credit Suisse nun ebenfalls Zugriff auf das Konto.