Corona-Pandemie: Hunger und Protest in Kolumbiens Armenvierteln

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Siloé, ein Armenviertel in Cali, Kolumbien: Während die Zustimmung für Präsident Duque steigt, nimmt hier die Armut zu
Siloé, ein Armenviertel in Cali, Kolumbien: Während die Zustimmung für Präsident Duque steigt, nimmt hier die Armut zu

Bogotá. In Kolumbien nimmt inmitten der Corona-Krise in den Armenvierteln der Unmut über die Regierung von Präsident Iván Duque zu. "Wir sind am Ende, wir sterben nicht am Virus sondern am Hunger,“ berichtet das Ehepaar David und Piedad Gonzalez, zwei über 60-jährige Bewohner des Armenviertels Siloé in Cali, gegenüber amerika21. Sie stehen zwischen rund 100 Nachbarn in der Schlange an der Volksküche. Eine junge Köchin teilt Essen aus: "Wir sammeln nachmittags unter allen Freunden und Bekannten und kochen damit vormittags für rund 100 Personen. Aber noch viele gehen leer aus." Diese Küchen entstehen überall im Land, viele erhalten wie hier kaum institutionelle Unterstützung.

Die Regierung Duque fährt in der Corona-Krise eine wirtschaftsfreundliche Politik und schützt etwa private Banken. In den Armenvierteln des Landes wächst der Unmut offenbar, auch wenn sich das in Umfragen nicht widerspiegelt. Duque konnte sich in der Krise landesweit nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Invamer Poll von 23 Prozent auf 52 Prozent verbessern.

In den urbanen Zentren und vor allem der Hauptstadt Kolumbiens wühlen immer mehr Menschen im Müll und ernähren sich von den Resten. Schuld daran ist nach Zeitungsberichten unter anderem die Ausgangssperre, die seit dem 25. März per Dekret von Präsident Iván Duque verhängt wurde und seitdem ständig verlängert wird – zurzeit bis zum 25. Mai. In den großen Städten des Landes leben laut DW mehr als 50 Prozent der Menschen von informeller Arbeit. Dieser Sektor ist aufgrund der Ausgangssperre zum Erliegen gekommen. Millionen Menschen haben kein Einkommen, haben bereits ihr Zuhause verloren oder sind kurz davor, kein Obdach mehr zu haben.

Die Not und Enttäuschung nimmt derweil viele Forman en: Ein rotes Tuch aus dem Fenster gehängt bedeutet, dass in dem Haushalt Menschen an Hunger leiden und dringend Hilfe nötig ist. Dieses Tuch ist zum prägenden Bild in vielen Vierteln geworden. Tausende Menschen ziehen durch die Straßen, um laut rufend um Lebensmittel zu bitten. Andere versuchen, mit lauten Schlägen auf Töpfe und Deckel, sogenannten Cacerolazos, Aufmerksamkeit zu erlangen.

Seit Wochen werden ständig Straßen blockiert, aber in den letzten Tagen nimmt die Unsicherheit auch auf zentralen Verbindungen des Landes zu. Es kommt zu Plünderungen und Überfällen, sogar auf Lagerplätze und Fahrzeuge, die Nothilfe verteilen.

Im südlichen Departamento Cauca wurden Straßen blockiert und Lastwagen angehalten. So wollten die anliegenden Dörfer auf ihre Notlage aufmerksam machen. Allerdings sperren auch mehrheitlich ganze Dörfer ihre Zufahrtsstraßen ab, um den Zugang an möglicherweise Infizierten gering zu halten.

Am Donnerstag kam es dann auch in Bogotá zu Aufständen, zentrale Straßen wurden blockiert. Rund 300 soeben fertig gestellte Wohnungen im Süden der Stadt wurden besetzt. Die zuständige Baufirma beschwert sich darüber, dass beim Eindringen Türen, Fenster und andere Elemente beschädigt worden seien. Die Besetzer sind mehrheitlich Indigene, sie fordern sofortige Hilfsmaßnahmen.

Zudem wurde das Bussystem Transmilenio immer wieder durch Blockaden lahmgelegt. Protestierende berichten, dass die Nahrungsmittelhilfe, die vom Bürgermeisteramt bereitstellt wurde, nie bei ihnen angekommen sei. Zwischenzeitlich gab es am Donnerstagmorgen auch eine Demonstration von rund 100 Busfahrern im Zentrum der Stadt. Sie erklärten, dass sie aufgrund der Quarantäne kein Einkommen erhalten konnten und keine Möglichkeit haben, ihre Familien zu ernähren.

Besonders dramatisch ist die Lage weiterhin in den Justizvollzugsanstalten. Im Gefängnis von Villavicencio, rund 100 Kilometer von Bogotá entfernt, sind bereits 706 Fälle von Corona-Infizierten bestätigt. "Wenn sie uns nicht freilassen oder medizinische Hilfe gewähren, verurteilen sie uns alle zur Todesstrafe", sagte ein Sprecher der Gefangenen aus Villavicencio gegenüber amerika21.