Bolivien / Politik

Putschregierung in Bolivien zieht alle Register gegen Wahlsieg der Linken

Anzeige gegen Morales und Gewerkschaftsführer in Den Haag. Fakenews-Netzwerk auf Facebook. Pläne zu rechter Einheitsfront gegen MAS

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Vertreter der bolivianischen De-facto-Regierung (rechts) treffen ICC-Chefanklägerin Fatou Bensouda (links)
Vertreter der bolivianischen De-facto-Regierung (rechts) treffen ICC-Chefanklägerin Fatou Bensouda (links)

La Paz/Den Haag. Die De-facto-Regierung Boliviens unter Präsidentin Jeanine Áñez geht immer neue Wege im Konflikt mit der ehemaligen Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS): Am vergangenen Freitag haben die Machthaber in dem südamerikanischen Land Strafanzeige gegen Ex-Präsident Evo Morales vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag gestellt.

Der Vorwurf lautet: Verbrechen gegen die Menschheit. Konkret geht es dabei um die politischen Streiks im August. Die Áñez-Regierung, der erst kürzlich von der UN-Menschenrechtskommission ein verheerendes Zeugnis ausgestellt worden war, beschuldigt Morales sowie Gewerkschaftsführer Juan Carlos Huarachi, durch die Anstiftung zu Protesten und Straßenblockaden für 40 Tote verantwortlich zu sein. Die Blockaden sollen verhindert haben, dass Sauerstoff-Lieferungen zur Behandlung von Covid-19-Patienten rechtzeitig eintrafen, woraufhin mehrere verstarben.

Regierungsvertreter José María Cabrera warf den Protestierenden "unmenschliche Akte" und "äußerste Grausamkeit" vor und sieht eine großangelegte Verschwörung durch Morales und Huarachi am Werke, denen er vorwirft, Anführer einer "kriminellen Vereinigung" zu sein.

Der Generalstreik war die Antwort auf die wiederholte Verschiebung der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen durch die Putschregierung, die seit fast einem Jahr ohne demokratisches Mandat regiert.

Evo Morales selbst zeigte sich empört und twitterte aus dem argentinischen Exil: "Die von der UNO, CIDH [Interamerikanische Menschenrechtskommission], NGOs, Beobachtern von Harvard und führenden Zeitungen für Massaker und Menschenrechtsverbrechen verurteilte De-facto-Regierung Boliviens zeigt nun mich und einige Volksanführer vor dem ICC an, dafür dass wir die Demokratie verteidigen."

Das angestrebte Verfahren vor dem ICC ist eine von mehreren Aktivitäten der Áñez-Regierung im Vorfeld der nun gesetzlich für den 18. Oktober angesetzten Wahlen. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass die Putschregierung die Firma CLS Strategies mit staatlichen Geldern damit beauftragt hatte, auf Facebook Fake-Profile zu erstellen, um Propaganda in ihrem Sinne zu verbreiten. Dies geschah im Dezember 2019, also im Nachklang des November-Putsches.

Vergangene Woche hatte die Washington Post darüber berichtet, dass Facebook 133 Fake-Profile gelöscht habe, die in den USA erstellt worden waren, um Áñez' Politik öffentlichkeitswirksam zu unterstützen.

Der Präsident der bolivianischen Abgeordnetenkammer, Sergio Choque, leitete daraufhin eine Untersuchung gegen die Exekutive ein. "Wir müssen die Instrumente der Legislative benutzen: Zuerst fordern wir einen Bericht der Präsidentin ein und danach, wenn es nötig ist, verlangen wir eine mündliche Befragung", so der MAS-Politiker.

Laut Facebook investierte der bolivianische Staat 3,6 Millionen US-Dollar in die Kampagne. Choque forderte Áñez auf, das Geld dem Land zurückzugeben und nannte die Fake-News-Strategie "sehr abscheulich".

Mit Hinblick auf die baldigen Wahlen kam unlängst der Vorschlag von Samuel Doria Medina, Vize-Präsidentschaftskandidat von Áñez’ politischem Bündnis Juntos (Gemeinsam), alle Rechtsparteien sollten sich in einer "Anti-MAS-Allianz" hinter der Kandidatur der De-facto-Präsidentin vereinigen. Áñez habe gezeigt, dass sie dem Land Frieden bringen und die Krise bewältigen kann, begründete Doria Medina seinen Aufruf.

Der Ruf nach Einheit stieß bei den anderen Kandidaten auf Kritik. Luis Fernando Camacho, Präsident der ultrarechten Gruppe Creemos (Wir Glauben) bekräftigte seine Unabhängigkeit: "Wir werden keine Allianz schließen und keine Kandidatur zurückziehen." Auf Twitter legte er nach und warf der De-facto-Regierung Korruption sowie heimliche Verbindungen zur MAS vor.

Auch Ex-Präsident Carlos Mesa, der ebenfalls zur Wahl antritt, attackierte Áñez Regierungsführung: "Leider verhält sich die aktuelle Regierung im Wahlprozess genauso [wie früher die MAS]: Sie benutzt Staatsmittel […] als gehörten sie ihr und benutzt sie für ihre politischen Interessen."