Wahlkampf in Bolivien von Gewalt überschattet

Anschläge und Behinderung von Spitzenkandidaten im Wahlkampf in mehreren Städten. UN zeigt sich besorgt über Gewalt. Illegale Praktiken der Polizei bei politischer Verfolgung von MAS-Politikern.

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Am 21. September wurde eine Versammlung der MAS-Jugend in El Alto mit Tränengasgranaten angegriffen (Screenshot)
Am 21. September wurde eine Versammlung der MAS-Jugend in El Alto mit Tränengasgranaten angegriffen (Screenshot)

La Paz. Drei Wochen vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Bolivien häufen sich während Wahlkampfveranstaltungen gewaltsame Zwischenfälle durch Anhänger und Gegner der ehemaligen Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS).

Zuletzt musste am vergangenen Donnerstag in der Provinzstadt Montero im Departement Santa Cruz die Polizei einschreiten, um eine Eskalation zwischen den beiden Konfliktparteien zu verhindern. Wenige Tage zuvor war eine Veranstaltung der MAS-Jugendorganisation in El Alto von Unbekannten mit Tränengasgranaten attackiert worden.

Luis Arce, Präsidentschaftskandidat der MAS, meldete sich dazu auf seinem Twitter-Account zu Wort: "Wir verurteilen die Gewaltanwendungen und fordern Garantien zur Ausübung des demokratischen Rechts der friedlichen Meinungsäußerung. Unsere Solidarität gilt den Opfern der Aggressionen, darunter auch Kinder." Der ehemalige Außenminister der Interimsregierung, Diego Pary, verurteilte die Geschehnisse von Montero ebenfalls und forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ausschreitungen gegen die MAS zu verurteilen.

Bereits eine Woche zuvor hatte die Vertretung des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Bolivien appelliert, Gewaltanwendungen im Wahlkampf zu unterlassen und stattdessen auf Toleranz und gegenseitigen Respekt zu setzen. In den letzten drei Wochen habe man neun gewaltsame Vorfälle in den Städten Potosí, Sucre, La Paz, El Alto, Oruro, Cochabamba und Santa Cruz gegen politische Parteien unterschiedlicher Couleur registriert.

Laut der letzten repräsentativen Wahlumfrage mit Daten aus der ersten Septemberwoche liegt der Spitzenkandidat der MAS, Luis Arce, mit 40,3 Prozent vor Carlos Mesa von der Bürgergemeinschaft (Comunidad Ciudadana) mit 26,2 Prozent und Luis Fernando Camacho von Wir glauben (Creemos) mit 14,4 Prozent. Eine Telefonbefragung des Meinungsforschungsinstituts Ciesmori im selben Zeitraum kommt zu ähnlichen Ergebnissen, womit Arce nach Abzug ungültiger Stimmen die notwendigen zehn Prozent Vorsprung vor dem Zweitplatzierten erreichen und damit im ersten Wahlgang gewinnen würde.

Vor dem Hintergrund dieser Umfragen hatte die Präsidentin der De-facto-Regierung, Jeanine Áñez, einen Monat vor den Wahlen am 18. Oktober ihre Kandidatur für die Alianza Juntos (Allianz Gemeinsam) zurückgezogen. Sie begründete ihren Schritt mit der Gefahr der Verteilung der Stimmen auf mehrere Oppositionskandidaten zur MAS und rief die Opposition zur Einheit auf. Sowohl Mesa als auch Camacho halten an ihren Kandidaturen fest.

Am Samstag rief Áñez auf einer Pressekonferenz in der Stadt Trinidad erneut zur "Verteidigung der Demokratie" auf, damit sich die 14 Jahre MAS-Regierung nicht wiederholten und Bolivien nicht dem Beispiel Kuba und Venezuela folge.

Unterdessen mehren sich Stimmen, die ein ähnliches Szenario wie beim Putsch im vergangenen November befürchten.

Im Nachgang der Präsidentschaftswahlen, aus denen Evo Morales von der MAS als Sieger hervorging, hatten die rechtsgerichtete Opposition und die US-nahe Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) den Vorwurf der Wahlfälschung erhoben. In der Folge war es zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Nach dem Einschreiten des Militärs und der Polizei sahen sich Morales und sein Vize gezwungen, ins Exil zu flüchten.

Die OAS konnte keine überzeugenden Beweise für Unregelmäßigkeiten des Wahlergebnisses vorlegen. Zahlreiche internationale unabhängige Analysten sehen die Betrugsvorwürfe gegen Ex-Präsident Morales nach eingehenden Untersuchen als entkräftet und nicht haltbar.

Die rechte De-facto-Regierung lässt indes kaum ein Mittel aus, um die MAS-Anhänger politisch zu verfolgen oder die Partei zu verbieten. Von internationalen Organisationen wurden mehrfach Menschenrechtsverletzungen angezeigt.

Erst am vergangenen Mittwoch hat die Chefin für Korruptionsbekämpfung der Spezialeinheit der Polizei zur Verbrechensbekämpfung (Fuerza Especial de Lucha Contra el Crimen,FELCC), Silvia Sandoval Peredo, drei Berichte an die Öffentlichkeit gebracht, die illegale Praktiken der Polizei bei der Strafverfolgung von MAS-Politikern offenlegen.

In den elf Fällen, die derzeit von der Staatsanwaltschaft in La Paz untersucht werden, sei es mehrfach zu Verfahrensverstößen gekommen. Die Hinweise darauf seien weder vom Generalkommando der Polizei noch von der Regierung behandelt worden. Laut Sandoval habe es Absprachen zwischen Mitgliedern der Interimsregierung und Oberstleutnant Iván Rojas, nationaler Leiter des FELCC, gegeben, um die politischen Verfahren anzustrengen.