Moskau/Washington/Brüssel et al. Die internationalen Reaktionen auf die Ergebnisse der Parlamentswahlen in Venezuela fallen unterschiedlich aus. Während Wahlbeobachter und Verbündete von Präsident Nicolás Maduro den transparenten Charakter der Wahl hervorheben, weigern sich dessen Gegner, die Resultate des Urnengangs anzuerkennen.
Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel beglückwünschte "die Revolution und das bolivarische Volk" zum Ergebnis, das Präsident Nicolás Maduro den Rücken stärke. Die russische Regierung anerkannte die Wahlergebnisse und betonte, die Wahlen seien "transparent" verlaufen. Die Sprecherin des russischen Außenamtes, Marija Sacharowa, bescheinigte dem elektronischen Wahlprozess in Venezuela auch angesichts der Covid-Pandemie die "höchsten Standards bezüglich Transparenz, Demokratie und hygienischer und epidemiologischer Sicherheit" einzuhalten.
Kritik kam erwartungsgemäß aus jenen Ländern, die bereits im Vorfeld eine Absage der Wahlen gefordert und den Boykott großer Oppositionsparteien unterstützt hatten. Die US-Regierung "verurteilte" in einer Stellungnahme die Wahl. Laut Außenminister Mike Pompeo entbehrte der Prozess "jeglicher minimaler Glaubwürdigkeits-Standards". Die USA würden weiterhin den selbsternannten "Interimspräsidenten" Juan Guaidó und die "legitime" Nationalversammlung anerkennen, deren Mandat am kommenden 5. Januar ausläuft. Ganz in diesem Sinne äußerten sich die US-Verbündeten in Lateinamerika der sogenannten Lima-Gruppe sowie die Regierungen Großbritanniens und Kanadas.
Auch die Europäische Union erklärte, die Wahlergebnisse nicht anzuerkennen. Diese seien "nicht repräsentativ für den Willen des venezolanischen Volkes", da der "politische Pluralismus" nicht respektiert worden sei und führende Oppositionelle nicht zur Wahl zugelassen und juristisch verfolgt worden seien. Der Europäische Rat forderte, einen "Transitionsprozess" in Venezuela mit dem Ziel einzuleiten, neue Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten.
In einem Kommuniqué wies die Regierung Maduro diese Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borell zurück. Es sei bedauerlich, dass die EU an ihrer Einmischungspolitik gegenüber Venezuela "unter offener Missachtung der elementarsten Grundsätze des Völkerrechts" festhalte. Venezuela nehme jedoch das von den EU-Mitgliedstaaten bekundete Interesse zur Kenntnis, den politischen Dialog im Land "zu begleiten und zu respektieren".
Eine Sprecherin des deutschen Bundesaußenministeriums schloss sich der EU-Kritik an. Die Wahlen seien "weder frei noch fair gewesen" und sie erfüllten nicht die Mindeststandards, so das Auswärtige Amt. Die niedrige Wahlbeteiligung sei ein Ausdruck dafür, dass die Bevölkerung wenig Vertrauen gehabt habe.
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Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza reagierte auf die Äußerungen europäischer und insbesondere deutscher Politiker, welche den Urnengang verurteilten, mit einem Tweet in deutscher Sprache. "Einige Politiker der europäischen Rechten wüten heute gegen Venezuela, vor allem aus Deutschland. Gestern fanden in Rumänien Parlamentswahlen statt. Die Wahlbeteiligung war die gleiche wie in Venezuela. Ohne Sanktionen, Boykott und Treibstoffmangel. Ein wenig Konsequenz bitte!", so Arreaza.
Der argentinische Journalist Marco Teruggi wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass die geringe Beteiligung an Parlamentswahlen, die von der Opposition boykottiert werden, in Venezuela kein Novum ist: Im Jahr 2005, als die Gegner der damaligen Regierung von Präsident Hugo Chávez ebenfalls nicht an den Wahlen teilnahmen und zum Boykott aufriefen, lag sie sogar bei nur 25 Prozent.
Stellungnahmen von internationalen Wahlbeobachtern in Venezuela zeichnen ebenfalls ein anderes Bild. Der Rat lateinamerikanischer Wahlexperten (Ceela), der den ganzen Prozess begleitete, beurteilte das Wahlsystem bereits im Vorfeld als "extrem vertrauenswürdig" und lobte den Prozess.
Der ehemalige spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero bezeichnete die Haltung der Europäischen Union als "größte Absurdität in der Geschichte des internationalen Rechts". Die EU müsse sich von der Venezuela-Politik des US-Präsidenten unabhängig machen und die "ungerechten und unverständlichen" Sanktionen ablehnen. Nur der Dialog und die demokratische Diskussion könnten einen Ausweg aus der Krise bieten, sagte Zapatero mit Blick auf die Boykotthaltung von Teilen der venezolanischen Opposition, die von den USA und der EU unterstützt wird.
Die irischen Abgeordneten im EU-Parlament, Clare Daly und Mick Wallace, waren ebenfalls Teil der internationalen Wahlbegleiterdelegation. Daly warf dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell vor, sich "wie ein Kolonialherr" aufzuführen, die Souveränität des venezolanischen Volkes und seine Verfassung zu untergraben. Die EU zeige "keinen Respekt für das internationale Recht" und respektiere demokratische Entscheide nur, "wenn sie der imperialistischen Agenda der USA entsprechen", schrieb Wallace.
Dass der Ablauf der Parlamentswahlen den nationalen und internationalen Standards entsprochen hat, zu dem Schluss kommt das Komitée der rund 200 internationalen Wahlbeobachter. "Wir erkennen die Legitimität, Legalität und den Respekt für die Verfassung an" an, heißt es in seinem Abschlussbericht, der am Montag in Caracas vorgestellt wurde. Die Verfasser weisen zudem "die Einmischung von außen und die Erklärungen der Nicht-Anerkennung seitens der Regierungen der USA, Kanadas und der Europäischen Union zurück, die, nachdem sie mit allen Garantien zur Prüfung und Beobachtung der Wahlen eingeladen worden waren, es vorzogen, keine Wahlbeobachtungsmissionen zu entsenden", und fordern "diese Regierungen nachdrücklich auf, die Ergebnisse anzuerkennen".