Indigene Mapuche in Chile gründen eigene Polizei

Mapuche-Gemeinschaften nehmen ihre Sicherheit selbst in die Hand. Polizei soll auch für indigene Rechtssprechung zuständig sein. Sprecher der Regierung betont Gewaltmonopol des Staates

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Mapuche Versammlung
Die Lef Txawün Temucuicu, an der die Gründung einer eigenen Polizei beschlossen wurde

Temucuicui/Ercilla. Die indigenen Mapuche-Gemeinschaften von Temucuicui und Ercilla haben beschlossen, eine eigene Polizei aufzubauen. Sie reagieren damit auf wiederholte Gewalt und Aggressionen durch die chilenische Polizei, so die Initiator:innen. Die Entscheidung fiel bei einer "dringenden Sitzung" (Lef Txawün) der Gemeindemitglieder.

Die vorgeschlagene Einrichtung soll die Sicherheit der Menschen in der Gemeinschaft garantieren und für die indigene Rechtsprechung vor Ort verantwortlich sein.

Für die Regierung stellt die Ankündigung einen Affront dar: "Es kann keine andere Polizei als die Kriminalpolizei oder die Carabineros geben", betonte der Regierungssprecher Jaime Bellolio.

Dieser Darstellung widerspricht der Menschenrechtsaktivist und Kandidat als Regionalgouverneur der Araucanía, Vicente Painel. "Der Name mag Polemik erzeugen, jedoch handelt es sich hier auf rechtlicher Ebene um nichts anderes als einen gemeinschaftlichen Sicherheitsdienst, wie ihn auch die Forstunternehmen haben". Zudem sei diese Handlung vollständig durch die ILO 169 getragen, so Painel. Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ist das einzige international völkerrechtlich verbindliche Instrument zur Durchsetzung der Rechte indigener Völker. Sie ist 1989 von der ILO verabschiedet worden und 1991 in Kraft getreten.

In einem öffentlichem Kommuniqué des Sprechers des Consejo Todas Las Tierras, Aucan Huilcaman, das amerika21 vorliegt, wird die Gründung der Indigenen Polizei als ein weiterer Schritt in die Autonomie der Mapuche dargestellt. Diese Handlung beruhe auf der rechtlichen Grundlage internationaler Verträge und der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen, welche den indigenen Gemeinschaften Selbstbestimmung, territoriale Autonomie und Auslebung der eigenen Kultur garantieren. Dabei orientiere man sich an unzähligen Beispielen auf dem amerikanischen Kontinent, wie etwa an der Tribal Police in den USA, den Guardias Comunitarias in Mexiko, der Inuitpolizei in Grönland oder die Guardia comunitaria Wichi in Argentinien.

Die kommunistische Abgeordnete Karol Cariola verteidigte die Ankündigung der Mapuche-Gemeinden. Es sei vollkommen zu verstehen, dass sie auf diese Weise auf die letzten Gewaltanwendungen der Polizei reagierten. Gleichzeitig richtete sie einen Appell an die Regierung, eine neue Form der Beziehung zu der indigenen Gemeinschaft zu suchen. Die bisherige Politik habe "Spannung und Misstrauen zwischen den Mapuche, der Polizei und der Regierung geschaffen". Bisher hätten die politischen Führungen kein Interesse gezeigt, einen aufrichtigen Dialog mit ihnen einzugehen.

Damit verweist die Abgeordnete auf die Politik der letzten Jahre gegenüber den Mapuche. Während diese mehr territoriale Autonomie und die Rückgabe gestohlener Ländereien fordern, haben die letzten Regierungen vor allem mit der Militarisierung des Konflikts reagiert. Gefälschte Beweise zur Inhaftierung von Mapuche und überzogene Polizeieinsätze mit Todesopfern wurden immer wieder angeprangert.

Zuletzt tötete die Polizei im Jahr 2018 den Mapuche Camilo Catrillanca. Im Januar 2021 sprach ein Gericht in Angol den ehemaligen Polizisten Carlos Alarcón des Mordes an Catrillanca sowie des versuchten Mordes an dessen minderjährigem Neffen schuldig. Sieben weitere Polizisten wurden zudem wegen Behinderung der Justiz verurteilt. Am Tag der Urteilsverkündung stürmten über 800 Polizist:innen die Gemeinden von Temucuicui, angeblich um gegen Drogenhandel vorzugehen. Gefunden wurden 1.000 Pflanzen Marihuana.

Cariola meinte dazu: "In keinem Armenviertel der Hauptstadtregion, wo es tatsächlich ernst zu nehmende Probleme mit Drogenbanden gibt, sehen wir jemals so einen massiven Polizeieinsatz".