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Brasilien: Weitere Lockerungen der Waffengesetze?

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"Mehr Waffen, mehr Sicherheit" – Expert:innen widersprechen diesem Credo von Jair Bolsonaro, hier bei einer Waffenmesse 2017 (Screenshot/Montage)
"Mehr Waffen, mehr Sicherheit" – Expert:innen widersprechen diesem Credo von Jair Bolsonaro, hier bei einer Waffenmesse 2017 (Screenshot/Montage)

São Paulo. Während die Bevölkerung Brasiliens weiterhin unter der Corona-Pandemie zu leiden hat, hat der amtierende Präsident Jair Bolsonaro erneut versprochen, den Zugang zu privaten Schusswaffen zu erleichtern. Dabei stößt er mit seiner Argumentation, dass mehr Waffen auch für mehr Sicherheit sorgen würden, auf Widerstand.

Spätestens seit seinem Wahlkampf 2018 gilt Bolsonaro Kommentator:innen zufolge als "Waffennarr". Eines seiner wichtigsten Wahlkampfthemen war die Lockerung der Waffengesetze, welche er auch kurz nach seinem Amtsantritt veranlasste. Während 2018 noch 700.000 registrierte Schusswaffen in der Zivilbevölkerung kursierten, sind es aktuell 1,2 Millionen.

Nun hat Bolsonaro wieder vor, die Waffengesetze zu lockern: Zu den Erneuerungen gehört die Abschaffung der Zölle für den Waffenimport und die Erhöhung der maximal im Privatbesitz befindlichen Waffen auf sechs Stück. Zudem soll die Zivilbevölkerung Zugang zu Kalibern bekommen, die bisher ausschließlich Militär und Polizei vorbehalten waren. Er begründet dies mit der Notwendigkeit für die Bevölkerung, sich im Hinblick auf die Gewalt im Land schützen zu können.

Diese Argumentation ruft allerdings Kritiker:innen auf den Plan. Das Forschungsinstitut Insper aus São Paulo betont, dass ein größerer Anteil an Waffen auch immer mehr Gewalt bedeutet. Thomas Victor Conti, Sprecher von Insper, gibt zu bedenken, dass, obwohl die Zahl der Waffen gering scheinen mag, nicht vergessen werden darf, dass hier nur die tatsächlich registrierten Schusswaffen gezählt worden sind. Waffen, die nicht registriert wurden oder im Bereich der kriminalisierten Gewalt im Umlauf sind, tauchen so in den Statistiken nicht auf. Die Gesamtzahl der im Land verfügbaren Waffen wird auf 10- bis 15-mal höher geschätzt.

Bolsonaro gibt den illegalen Waffen die Schuld an der hohen Kriminalität im Land. Die Bewaffnung "der guten Staatsbürger" (cidadãos de bem) solle eine Schutzfunktion für die Gesamtbevölkerung haben. Dem widerspricht Conti: "Wenn [die Befürworter:innen] das aus Sicht der persönlichen Rechte verteidigen wollen, dann ist alles gut, dann gehört das zum demokratischen Prozess. Das Problem ist meiner Meinung nach, dass die Lockerung der Waffengesetze mit Vorteilen für die öffentliche Sicherheit begründet werden. Das ist eine Lüge."

So muss im Hinblick auf die Gewalt in Brasilien festgestellt werden, dass das Problem wohl eher ein multifaktorielles ist: Armut, fehlender Zugang zu Bildung und Hunger spielen eine wichtige Rolle. Der erleichterte Zugang zu Waffen führt laut Insper eher zu einem Anstieg der tödlichen Gewalt. So wird aus einem Raub schnell eine Schießerei, wenn der Täter davon ausgehen muss, dass das potenzielle Opfer auch bewaffnet ist. Zudem müsse in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf Themen wie häusliche Gewalt oder Streits gelegt werden. Auch bei diesen Themen sei es durch eine vermehrte Bewaffnung der Bevölkerung wahrscheinlich, dass die Taten für die Opfer tödlich ausgehen.