Kolumbien / Politik

Kolumbien: Farc-Kommandant Jesús Santrich in Venezuela getötet

"Zweite Marquetalia" macht kolumbianische Armee für Tötung verantwortlich. Regierung in Bogotá sieht Ursache in "bewaffneter Auseinandersetzung"

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Jesús Santrich, Führungsperson der ehemaligen Farc-Guerilla, ist in dieser Woche in Venezuela ums Leben gekommen
Jesús Santrich, Führungsperson der ehemaligen Farc-Guerilla, ist in dieser Woche in Venezuela ums Leben gekommen

Bogotá. Der ehemalige Kommandant der Guerillaorganisation Farc-EP, Jesús Santrich, der auch an der Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der Regierung von Kolumbien entscheidend beteiligt war, ist in Venezuela ums Leben gekommen. Kolumbianische Streitkräfte sollen ihn laut der Nachfolgeorganisation der Farc-EP auf venezolanischem Boden nahe der Grenze zu Kolumbien getötet haben. Die Darstellung widerspricht der Version der Regierung von Präsident Iván Duque, nach der Santrich bei einem Gefecht zwischen bewaffneten Gruppen umgekommen sei.

Vergangenen Dienstag hatte der kolumbianische Verteidigungsminister, Diego Molano, auf Twitter eine Kurznachricht über den vermeintlichen Tod von Seuxis Paucias Hernández Solarte alias "Jesús Santrich" veröffentlicht. Demnach sei der Farc-Anführer laut Informationen aus Geheimdienstkreisen bei einem Gefecht zwischen bewaffneten Gruppen getötet worden. Molano gab in dem Tweet an, dass die Bestätigung des Tods von Santrich auf venezolanischem Boden beweisen würde, dass das Nachbarland "Narco-Kriminelle" beherberge.

Am selben Tag veröffentlichte auch die Führung der Farc-EP Zweiteś Marquetalia eine Mitteilung, in der sie den Tod von Santrich bestätigte. Er sei am Montag, den 17. Mai, in einen Hinterhalt der kolumbianischen Armee geraten und von dieser getötet worden. Die Aktion habe sich im Grenzgebiet des Berglandes von Perijá in Venezuela ereignet. Das militärische Kommando habe auf direkten Befehl  Duques gehandelt und den Geländewagen, in dem sich Santrich befand, mit Artilleriefeuer und Granaten angegriffen. Auch habe sie als Beweismittel für dessen Tötung seinen kleinen Finger abgeschnitten. Die Soldaten seien anschließend in einem Hubschrauber zurück nach Kolumbien geflogen worden.

In dem Schreiben wird der jahrelange Einsatz von Santrich im Kampf gegen den kolumbianischen Staat gelobt und die Zivilbevölkerung dazu aufgefordert, auch zu seinen Ehren weiter auf die Straßen zu gehen, um die Duque-Regierung zu stürzen.

Laut Informationen, die der Zeitung El Espectador nach eigenen Angaben vorliegen, sei es auch möglich, dass die Dissidentenorganisation der Farc-Ep unter der Leitung von Miguel Botache alias "Gentil Duarte", die nicht an den Friedensverhandlungen teilgenommen hatte, hinter dem Angriff steht. Nach Aussagen von Javier Tarazona, Leiter der NGO FundaRedes, sie es auch vorstellbar, dass Santrich von Mitgliedern des venezolanischen Regierung verraten wurde, die seinen Aufenthalt kannten und die Information an die Gruppe von Duarte weitergaben. Möglicher Grund dafür sei, die erwünschte Freilassung von acht venezolanischen Soldaten zu erreichen, die von dieser Gruppierung entführt worden sind. Dies gilt aber laut Beobachtern als äußerst unwahrscheinlich. Eine weitere Spekulation der NGO geht dahin, Santrich sei wegen des von den USA und Kolumbien auf ihn ausgesetzten Kopfgeldes ermordet worden.

Santrich war eine der Schlüsselfiguren bei den Verhandlungen mit der kolumbianischen Regierung, die 2016 im Friedensabkommen mündeten. 2018 sollte er als Abgeordneter der neugegründeten Farc-Partei in den Kongress einziehen. Nachdem die USA jedoch seine Auslieferung wegen Drogenhandels forderten, nahm ihn die kolumbianische Staatsanwaltschaft fest.

Anschließend kam es zum Konflikt zwischen dieser Institution und der Sonderjustiz für den Frieden (JEP) über die Verantwortlichkeit für den Fall. Santrich kam wieder auf freien Fuß. Die Untersuchungen liefen aber weiter, auch als er sein Amt als Abgeordneter aufnahm.

2019 flüchtete der 53-Jährige vor der Justiz und tauchte schließlich in einer Video-Botschaft zusammen mit Iván Márquez und anderen ehemaligen Farc-Rebellen auf. Sie kündigten die Gründung der Zweiten Marquetalia an und damit verbunden die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes gegen den kolumbianischen Staat.

Erst vor wenigen Tagen wurde publik, dass das Oberste Gericht in Kolumbien seine Auslieferung an die US-Justiz genehmigt hatte.