Bogotá. Im Zuge der Gespräche mit dem Streikkomitee (CNP) hat die Regierung von Iván Duque am Montag die Forderungen der Streikenden abgelehnt und verstärkte Polizeieinsätze angeordnet. Das Streikkomitee hatte der Regierung am Sonntag ein Dokument mit 19 Punkten vorgelegt, das unter anderem den Rückzug der polizeilichen Sondereinheit zur Aufstandsbekämpfung Esmad und des Militärs bei den Protesten forderte. Die Ankündigung im Fernsehen von Duque über "den maximalen Einsatz" der Polizei gegen die Streikblockaden, während seine Delegierten mit dem Streikkomitee immer noch am Gesprächstisch saßen, versteht das CNP als eine Kriegserklärung gegen den Generalstreik.
Tatsächlich hat die Polizei ihre gewaltsamen Einsätze auch nach dem Start der Gespräche der Regierung mit dem CNP fortgesetzt. In der Nacht von Sonntag auf Montag war sie in Yumbo, einem Vorort von Cali, einmarschiert. Dabei warf sie Tränengas in die Häuser der Bewohner und jagte Jugendliche. 29 Menschen wurden verletzt und drei junge Männer offenbar getötet. In Yumbo blockieren Protestierende die Landstraße nach Cali während des Generalstreiks.
Die Esmad soll auch mit Feuerwaffen auf die Protestierenden geschossen haben. Am Dienstagabend prangerte der indigene Senator Feliciano Valencia an: "Die Situation in Yumbo ist um diese Uhrzeit äußerst gravierend. Die Esmad schießt gerade auf die versammelten Protestteilnehmer:innen, die sich in der Nähe von Ecopetrol befinden." Später explodierten auch Tanks des Erdölunternehmens Ecopetrol. Ähnlich ging die Esmad auch in anderen Kleinstädten vor. So in Buga in der letzten Woche, wo die Übergriffe der Esmad gegen die Bewohner 48 Verletzte hinterließen.
Die Angriffe mit Feuerwaffen durch Personen in Zivilkleidung gehen ebenfalls weiter. Am Sonntagabend wurden während eines Live-Streams des Journalisten Hollman Morris in Cali Protestierende am Platz "Hügel der Würde" (Loma de la Dignidad) von Unbekannten aus einem Kraftfahrzeug heraus beschossen. Niemand wurde verletzt. Auch in Medellín schoss ein Zivilist am Samstag aus einem Wagen auf Demonstrant:innen. Er stellte sich später der Polizei und musste 240.000 Pesos (circa 55 Euro) Strafe bezahlen.
In der südwestlichen Stadt Popayán soll die lokale Polizei zusammen mit wohlhabenden Anwohnern einen Plan zur "sozialen Säuberung" gegen Protestierende vorbereiten. Diese Informationen habe eine der Polizei nahstehende Quelle der Ökumenischen Kommission Gerechtigkeit und Frieden (CIJP) enthüllt, so die CIJP. Die paramilitärische Initiative habe bereits Blechschlosser und Lackierer in Polizeistationen gebracht, damit sie die Polizeiwagen entfremden, Kennzeichnen überdecken, Fensterscheiben verdunkeln und Karosserien überstreichen. Es wird vermutet, dass sie auf diese Art die Proteste attackieren werden, ohne dass die Polizei dafür verantwortlich gemacht werden kann.
Politiker:innen der Regierungspartei Centro Democrático (CD) und Unternehmer:innen aus der Stadt Pereira haben in einem Online-Treffen über "das Recht auf die legitime Verteidigung" diskutiert. Es ging dabei um einen Austausch angesichts der anhaltenden Blockaden und Proteste. Der CD-Abgeordnete Gabriel Jaime Vallejo sagte gegenüber der Zeitung El Espectador nach dem Treffen, dass das Recht auf Selbstverteidigung ein "Grundprinzip" sei, wenn "das eigene Leben oder das Leben der Familie" mit einer legal getragenen Waffe mit Waffenschein verteidigt werden muss.
Wegen der zahlreichen Angriffe durch Personen in Zivilkleidung forderte das Streikkomitee die Regierung auf, Garantien für die Proteste zu stellen, welche die "staatliche und parastaatliche Gewalt" stoppen. Überhaupt könne es keine Verhandlungen ohne die Beendigung der staatlichen Gewalt geben, heißt es in einem Kommuniqué des CNP.
Das Komitee hatte deshalb auch öffentliche Entschuldigungen vom Verteidigungsminister wegen der "exzessiven Gewalt" der Polizei verlangt. Außerdem wurde gefordert, dass die Regierung und Ordnungskräfte aufhören, die Proteste als "kriminellen Vandalismus" und "vandalischen Terrorismus" zu stigmatisieren. Außerdem müsse die Polizei die sexuellen Übergriffe gegen Demonstrantinnen beenden und die Regierung einen Arbeitsbesuch der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte zulassen.
Die Proteste gehen indessen weiter. Das CNP hat zu Mobilisierungen für den heutigen Mittwoch aufgerufen. Am Samstag fand in Bogotá eine der größten Massendemonstrationen des Generalstreiks statt, der vor nunmehr 21 Tagen begann.