Brasilien / Soziales

Pandemie in Brasilien: Drei Viertel der Bevölkerung beklagen verstorbene Angehörige

impfung.jpg

In Argentinien erhalten einige Menschen zurzeit ihre dritte Impfdosis von Astra-Zeneca
In Argentinien erhalten einige Menschen zurzeit ihre dritte Impfdosis von Astra-Zeneca

Brasília. Anfang Mai hat der Nationale Industrieverband (CNI) die Ergebnisse der Umfrage "Die Brasilianer:innen, die Pandemie und der Konsum" veröffentlicht. Drei von vier Brasilianer:innen haben demnach seit dem Ausbruch der Krise mindestens eine nahestehende Person durch Covid-19 verloren.

Bei 53 Prozent der Befragten handelte es sich um eine befreundete Person, 25 Prozent verloren eine:n nicht im eigenen Haushalt wohnende:n Familienangehörige:n und 15 Prozent einen Arbeitskollegen oder eine Arbeitskollegin. Angesichts der Situation, in der sich Brasilien befindet – mit einer hohen Anzahl von Todesopfern und einem Mangel an Impfstoffen –, betrachten 89 Prozent der Befragten die Pandemie als "ernst" oder "sehr ernst". Sechs Prozent halten die Situation für "mehr oder weniger schlimm", während nur zehn Prozent der Brasilianer:innen als "nicht sehr schwer" oder "überhaupt nicht schwer" beurteilen. Im Juli 2020 hatten nur 84 Prozent die Lage als "sehr schwer" oder "schwer" eingeschätzt.

Brasilien verzeichnet bisher mehr als 450.000 Opfer, die an Covid-19 gestorben sind. Diese Zahl könnte zum 1. August 2021 auf 575.000 ansteigen. Dies zumindest hält das im Bereich der globalen Gesundheitsstatistik und Wirkungsevaluation in Washington tätige Institute for Health Metrics and Evaluation für das wahrscheinlichste Szenario. "Ein Anstieg der Todesopfer auf 688.700 in diesem Zeitraum wäre der worst case. Das Institut geht außerdem davon aus, dass eine dritte Welle ab Ende Mai möglich ist", so der Journalist Leonardo Sakamoto. "Die Schätzungen der Universität von Washington sind sehr genau, da man mit einem stabilen Verlauf rechnen kann. Sogar unsere Schwächen beim Testen wurden berücksichtigt", erklärte der Epidemiologe Wanderson Oliveira, Sekretär für ganzheitliche Gesundheitsdienste beim Obersten Bundesgerichtshof und ehemaliger Leiter der Berichterstattungsbehörde des Gesundheitsministeriums.

Zusätzlich zu den nicht zu ersetzenden Verlusten leben die Brasilianer:innen in Angst, was ebenfalls verschiedene Krankheiten hervorrufen kann. Die von dem CNI durchgeführte Umfrage ergab, dass 56 Prozent der Brasilianer:innen momentan unter "sehr großer" oder "großer" Angst vor Covid-19 leiden. "Im Juli des vergangenen Jahres lag dieser Prozentsatz bei 47 Prozent", so eine Reportage der Tageszeitung O Estado de S. Paulo. "Aktuell bezeichnen 22 Prozent der Bevölkerung ihre Angst vor der Pandemie als 'mittelgroß'. Nur neun Prozent gaben an, ihre Angst sei 'gering' oder 'sehr gering'. Im Juli 2020 waren es noch 29 Prozent ('mittelgroße' Angst) bzw. zehn Prozent ('geringe' oder 'sehr geringe' Angst)."

Die vom CNI in Auftrag gegebene Umfrage wurde vom Meinungsforschungsinstitut FSB Investigación zwischen dem 16. und 20. April in 26 Bundesstaaten Brasiliens sowie dem Bundesdistrikt durchgeführt. 2.060 Personen, die älter waren als 16 Jahre, nahmen teil. Die Fehlermarge der Umfrage liegt bei zwei Prozent mit einem Vertrauensbereich von 95 Prozent. In einer Pressemitteilung erklärte der Präsident des Nationalen Industrieverbands Robson Braga de Andrade: "Solange es keine Massenimpfung gibt, wird die Pandemie die Bevölkerung sehr beunruhigen und auch weiterhin den Betrieb der Unternehmen beeinträchtigen. Das wiederum behindert die erhoffte Wiederbelebung der Wirtschaft."

Bis zum Dienstag wurden in Brasilien 58.565.658 Impfdosen verabreicht. 19 Prozent der Brasilianer:innen haben bislang mindestens eine Dosis erhalten, 8,9 Prozent sind voll geimpft.