Caracas. Führende Mitglieder der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) haben die Justizbehörden aufgefordert, den Oppositionspolitiker Juan Guaidó zu verhaften.
Die Aufrufe wurden während eines Marsches am "Tag der Demokratie" gemacht, der zum Gedenken an den Sturz der Diktatur von Marcos Pérez Jiménez am 23. Januar 1958 stattfand. Bei seiner Rede auf der Abschlusskundgebung sagte Präsident Nicolás Maduro, dass "es einige Zeit dauert, bis die Gerechtigkeit [gegen Guaidó] kommt, aber die Gerechtigkeit wird definitiv kommen".
Der PSUV-Mehrheitsblock im Parlament forderte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab ebenfalls zum Handeln auf und rief zur "Eile" bei den 24 laufenden Ermittlungen gegen den Oppositionspolitiker sowie zu einem "Ende der Straflosigkeit" auf.
Die Anti-Korruptionskommission des Parlaments wirft Guaidó, der sich am 23. Januar 2019 zum "Interimspräsidenten" ausgerufen hat, Hochverrat und Betrug vor. In den laufenden Strafverfahren gegen ihn geht es um Hochverrat, Geldwäsche, Veruntreuung und Verbindungen zu paramilitärischen Banden in Kolumbien.
Nach Erhalt der Petition schrieb Saab auf Twitter, "Hunderte" von Haftbefehlen seien in Arbeit. Während gegen eine Reihe von Guaidós Mitarbeitern bereits rechtliche Schritte eingeleitet wurden, haben die Behörden den von den USA unterstützten Politiker selbst noch nicht verhaftet. Eine kurzzeitige Festnahme im Jahr 2019 war Berichten zufolge eine irrtümliche "einseitige" Aktion, die nicht von oben sanktioniert wurde.
Indes erhöht sich der Druck auf Guaidó, Rechenschaft über die Verwendung der drei Milliarden US-Dollar abzulegen, die ihm von Washington und weiteren Verbündeten seit 2019 zur Verfügung gestellt wurden.
Im September leiteten die Behörden des südamerikanischen Landes ein neues Ermittlungsverfahren wegen des "schamlosen Diebstahls" des in Kolumbien ansässigen venezolanischen Agrochemieunternehmens Monómeros ein.
Der Oppositionspolitiker wurde zudem vergangene Woche mit einem neuen Skandal konfrontiert: Die bolivianische Polizei informierte über die Wiederbeschaffung von zwölf Fahrzeugen, die aus dem Besitz der Botschaft Venezuelas in La Paz gestohlen und während der Zeit, in der sie unter der Kontrolle der von Guaidó geführten Opposition stand, verkauft wurden. Nach dem Putsch 2019 in Bolivien nahm die De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez "diplomatische Beziehungen" zu Guaidós "Übergangsregierung" auf. Zweiundzwanzig weitere Fahrzeuge sowie Kunstwerke und Ausrüstungsgegenstände wurden Berichten zufolge ebenfalls aus der Botschaft entwendet.
Der Aufruf vom Sonntag war eine der stärksten Unterstützungsbekundungen für eine Verhaftung Guaidós aus den oberen Rängen der PSUV. Auch eine Reihe nationaler und regionaler Parteiführer schlossen sich an. Er kommt zu ähnlichen Forderungen einer Reihe von Basisbewegungen und politischen Parteien hinzu, die bereits seit 2019 immer wieder auf rechtliche Schritte gegen Guaidó und andere von den USA unterstützte Akteure drängen.
Guaidó schlug als Reaktion bei einer parallelen Gedenkveranstaltung zum 23. Januar einen trotzigen Ton an und forderte seine Anhänger auf, am 12. Februar Straßenproteste zu veranstalten. Maduro habe keine moralische Autorität, seine Verhaftung zu fordern, sagte er zu seinen Anhängern mit Verweis auf Haftbefehle der US-Justiz gegen den Präsidenten.
Im März 2020 informierte der damalige Justizminister der USA, William Barr, er habe Strafanzeige gegen Maduro wegen Drogenhandels gestellt. Zugleich lobte die US-Regierung in einem international einzigartigen Vorgang ein Kopfgeld von 15 Millionen US-Dollar für Hinweise oder Handlungen aus, die zu seiner Ergreifung führen. Barr wiederholte im Wesentlichen Vorwürfe, die seit mehreren Jahren kursieren, jedoch nie belegt wurden.