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In Chile soll die wirtschaftliche Erholung mit starker Sozialpolitik einhergehen

Regierung Boric geht die massive Verarmung in Folge der Corona-Pandemie an. Kleine Unternehmen können mit staatlicher Unterstützung rechnen

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Programm einer "inklusiven wirtschaftlichen Erholung"
Programm einer "inklusiven wirtschaftlichen Erholung"

Santiago de Chile. Die Regierung des neuen Präsidenten Gabriel Boric hat einen Plan der "inklusiven Wiederbelebung" der durch die Corona-Pandemie stark geschwächten Wirtschaft vorgelegt. Der Plan Chile Apoya (Chile Hilft) soll der hohen privaten Verschuldung, Arbeitslosigkeit und Unternehmenspleiten mit weitreichenden sozialökonomischen Maßnahmen begegnen, die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen und gleichzeitig den ärmsten Bevölkerungsschichten wirksam helfen.

Chile Apoya stellt 21 Maßnahmen vor, die zum einen direkte Zuwendungen zu den Lebenshaltungskosten beinhalten und zum anderen die Unterstützung der Klein- und Kleinstunternehmen vorsehen. Die direkten Kosten für den angespannten Haushalt sollen klein gehalten und auf eine überschaubare Zeit beschränkt werden.

Im Einzelnen sollen die Preise für den öffentlichen Nahverkehr eingefroren und die Preise für Gas und Paraffin, die am meisten benutzten Energien zum Heizen im nahenden Winter, niedrig gehalten werden. Der studentische Essenszuschuss wird um 15 Prozent erhöht und 30.000 Kulturschaffende bekommen eine einmalige Zahlung von umgerechnet 500 Euro.

Als Arbeitsmarktmaßnahmen wird das Arbeitslosengeld flexibilisiert und ein Lohnzuschuss für bis 24-Jährige, Beschäftigte über 55 Jahre sowie Menschen mit Behinderung gezahlt. Damit soll die Schaffung von 260.000 neuen Arbeitsplätzen erreicht werden. Um Frauen mit Kindern die Arbeitsaufnahme zu erleichtern, wird künftig ein Haushaltehilfezuschuss von 230 Euro monatlich pro Kind gezahlt.

Im Laufe des Jahres soll der Mindestlohn auf 400.000 Pesos (450 Euro) angehoben und die finanzschwachen Kleinbetriebe dabei unterstützt werden, diesen auch effektiv bezahlen zu können.

Über bereits bestehende staatliche Hilfsprogramme sollen bis zu 120.000 Kleinstunternehmen im Bereich Tourismus, Kultur und Frauenprojekte Zuwendungen erhalten, damit sie wirtschaftlich gewinnbringend bleiben.

Etwa 100.000 Kleinstfirmen, die bisher über keine Bankkonten verfügen, bekommen staatliche Garantiezusagen, damit sie Bankkredite erhalten. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Gemeinden soll bei der Aufforstung mit einheimischen Baumarten und dem Ausbau des Kleinstbergbaus geholfen werden.

Mit 300 Millionen US-Dollar wird die Zentralregierung die Gründung von neuen Unternehmen auf kommunaler und regionaler Ebene unterstützen. Sie sollen harmonisch in die lokale Wirtschaft integriert werden, umweltverträglich sein und nachhaltig qualifizierte Arbeitsplätze schaffen.

Die angekündigten Maßnahmen des Plans Chile Apoya sind von weiten Kreisen der Wirtschaft, der Politik und in der Bevölkerung begrüßt worden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) äußerte sich zustimmend zur Wirtschaftspolitik der chilenischen Regierung, da sie die Ungleichheit mindern und die Schwächsten schützen wolle.

Indes stößt der neue Kurs gegenwärtig mit einem anderen Thema zusammen, das die bisherige Krisenpolitik gegen die Pandemie begleitet hatte. Die Vorgängerregierung hatte während der Pandemie dreimal die Möglichkeit geschaffen, dass wegen fehlender staatlicher Unterstützung von Verarmung Betroffene sich 10 Prozent aus dem privaten, persönlichen Rentenfonds ausbezahlen lassen konnten.

Als Ergebnis haben bereits 2,1 Millionen Chilenen keine Rentenrücklagen mehr. Trotzdem wird im Parlament aktuell eine erneute Auszahlung verhandelt. Die Regierung Boric hat bereits klargemacht, dass sie weitere Auszahlungen verhindern will. Sie argumentiert, dass die Ärmsten ohnehin schon keine Guthaben mehr haben und der Schub frischen Geldes den Konsum anheizen und zusammen mit der jetzt schon hohen Inflation von fast 10 Prozent im Jahresdurchschnitt der letzten 12 Monate vor allem die Grundnahrungsmittel verteuern werde.

Mit dem Hilfspaket Chile Apoya befindet sich die Regierung im Einklang mit ihrem Wahlversprechen, die Bedürfnisse der breiten Bevölkerung berücksichtigen zu wollen. Die entsprechenden Erwartungen sind hoch.