Brasilien / Politik

Lula da Silva: EU und USA hätten Ukraine-Krieg verhindern können

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Lula bei der 1. Mai-Demonstration in São Paulo. Seine Kritik an der Politik der USA und der EU im Ukraine-Konflikt teilen große Teile der Linken in Lateinamerika
Lula bei der 1. Mai-Demonstration in São Paulo. Seine Kritik an der Politik der USA und der EU im Ukraine-Konflikt teilen große Teile der Linken in Lateinamerika

São Paulo. In einem Interview mit dem US-amerikanischen Wochenmagazin "Time" hat Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (Lula) scharfe Kritik an der Europäischen Union, den USA und am ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geübt. Sie alle seien mitverantwortlich am Krieg in der Ukraine, sagte der Politiker der linken Arbeiterpartei (PT), der im Oktober bei den Präsidentschaftswahlen antreten will.

US-Präsident Joe Biden warf er vor, "nichts getan zu haben, um den Krieg zu verhindern". Er glaube fest daran, dass Differenzen durch Gespräche gelöst werden können. Weder Biden noch die Staatschefs der EU hätten dies im Vorfeld der russischen Invasion ausreichend getan.

"Die USA haben ein großes politisches Gewicht. Und Biden hätte [den Krieg] verhindern können, statt ihn zu befeuern. Er hätte mehr reden, sich mehr einbringen können. Biden hätte ein Flugzeug nach Moskau nehmen können, um mit Putin zu sprechen. Dies ist die Art von Haltung, die man von einer Führungsperson erwartet. Eingreifen, damit die Dinge nicht aus dem Ruder laufen."

Russland hätte nicht in die Ukraine einmarschieren dürfen, betonte Lula, "aber es ist nicht nur Putin, der schuldig ist. Die USA und die Europäische Union tragen ebenfalls Schuld": Sie hätten der russischen Regierung zusichern müssen, dass die Ukraine nicht der Nato beitreten werde, "das hätte das Problem gelöst", so der PT-Politiker. Er zog einen Vergleich mit der "Kubakrise" von 1962, als die USA und Russland vereinbarten, die Raketenstellungen aus der Türkei und Kuba zu entfernen, um eine Eskalation mit unabsehbaren Folgen für die Welt zu vermeiden.

Der Regierungschef der Ukraine sei "für den Krieg genauso verantwortlich wie Putin, denn am Krieg ist nicht nur eine Person schuldig", erklärte da Silva weiter. Selenskyj habe "den Krieg gewollt", sonst hätte er "mehr verhandelt" und etwa vorgeschlagen, "über die Nato- und EU-Mitgliedschaft weiter zu diskutieren". Dies habe er nicht getan. Nun werde er in allen europäischen Parlamenten mit stehenden Ovationen bedacht und sei ständig im Fernsehen zu sehen. Es sei unverantwortlich, dass westliche Politiker "Selenskyj feiern", anstatt sich auf Verhandlungen zu konzentrieren.

Krieg sei keine Lösung, bekräftigte Lula. Die westlichen Sanktionen gegen die Russische Föderation beinträchtigten ungerechtfertigt die Wirtschaft anderer Regionen. "Jetzt müssen wir die Rechnung für den Krieg gegen die Ukraine bezahlen. Auch Argentinien und Bolivien werden zahlen müssen. Sie bestrafen nicht Putin. Sie bestrafen viele verschiedene Länder, Sie bestrafen die Menschheit."

Auf scharfe Kritik stießen seine Äußerungen beim ukrainischen Präsidentenberater Mykhailo Podolyak: "Der ehemalige Präsident von Brasilien Lula da Silva spricht über die Schuld der Ukraine oder des Westens am Krieg. Das sind die Versuche Russlands, die Wahrheit zu verdrehen. Es ist ganz einfach: Russland hat die Ukraine heimtückisch angegriffen, der Krieg findet nur auf dem Gebiet der Ukraine statt, Russland tötet massiv Zivilisten. Klassischer Krieg der Zerstörung und Besetzung", schrieb Podolyak in seinem Twitter-Account.