Basisorganisationen in Venezuela warnen vor Offensive der Agrarindustrie und Gen-Saatgut

Lobby der transnationalen Agrarkonzerne will Gesetz gegen gentechnisch verändertes Saatgut abschaffen, das einzigartig in Lateinamerika ist

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Aufruf zu den Aktionstagen gegen Bayer, Monsanto und Syngenta in Venezuela
Aufruf zu den Aktionstagen gegen Bayer, Monsanto und Syngenta in Venezuela

Caracas. Verschiedene Basisorganisationen und ökosozialistische Aktivisten haben mit Debatten, kulturellen Aktivitäten und Kundgebungen in verschiedenen Bundesstaaten Venezuelas zu den Weltaktionstagen gegen Monsanto, Bayer und Syngenta mobilisiert. Ein Hauptthema war die Verteidigung des 2015 erlassenen venezolanischen Saatgutgesetzes.

Am 21. Mai demonstrierten Vertreter:innen verschiedener popularer Bewegungen in der Hauptstadt Caracas, um auf die Bedeutung des Gesetzes gegen gentechnisch verändertes Saatgut hinzuweisen und vor dem Vormarsch der Agrarindustrie in Lateinamerika zu warnen. Diese diskreditiere und gefährde die kleinbäuerliche Landwirtschaft und das traditionelle Wissen.

Aufgerufen hatten unter anderem die venezolanische Kampagne gegen gentechnisch veränderte Organismen (GVO), Fundación Pueblo a Pueblo, Frente Ecosocialista por la Vida und Feria Conuquera Agroecológica.

Die Genehmigung des Anbaus von gentechnisch verändertem Weizen (HB4) in Argentinien, seine Kommerzialisierung in Brasilien, die Verdrängung des bäuerlichen Saatguts und die fortschreitende Kommerzialisierung der Landwirtschaft in der Region lassen bei dem Protestbündnis die Alarmglocken schrillen. Gemeinsame Widerstandsstrategien und die Verstärkung bäuerlicher Kämpfe in Lateinamerika dagegen seien erforderlich.

Laut Esquisa Omaña, Sprecherin der Kampagne für gentechnikfreies Saatgut, ist das venezolanische Saatgutgesetz von 2015 ein Schutzschild gegen die Agrarindustrie, das im lateinamerikanischen Vergleich einzigartig ist. Ximena González vom Zentrum für das Studium sozialer Transformationen (IVIC) erinnerte daran, dass dieses Gesetz in einem langen Diskussions- und Konsensprozess von der Basis aus entwickelt wurde.

Emma Ortega, Mitglied der Frente Ecosocialista por la vida, betonte, das Saatgutgesetz habe einen so hohen Stellenwert wie die venezolanische Verfassung. Das Bündnis sei angetreten um zu verteidigen, dass die Kontrolle über Lebensmittel in den Händen der Menschen liegt, die sie produzieren und konsumieren.

Der Vizeminister für Antiblockadepolitik im Finanzministerium, William Castillo, sagte in seiner Rede anlässlich der Weltaktionstage, Venezuela befinde sich derzeit in einer Phase der Erholung, in der die landwirtschaftliche Erzeugung durch eine tiefgreifende Umgestaltung der Lebensmittelproduktion aus eigener Kraft gerettet worden sei. Aktuell kehrten die transnationalen Konzerne zurück, die Venezuela jahrelang blockiert hätten, um transgenes Saatgut zu fördern. Ihr Argument sei, dass die landwirtschaftliche Produktion gesteigert werden müsse. Castillo warnte, die Zukunft der Kinder dürfe nicht mit einer Hypothek belastet werden, weil gentechnisch veränderte Produkte zwar billiger angeboten würden, aber massive Folgen für die Gesundheit und Umwelt hätten.

Im Rahmen der Weltaktionstage fand am 22. Mai im Bundesstaat Mérida eine Versammlung der agrarökologischen Bauernschule von La Mucuy zusammen mit Mamíferas de Venezuela statt, um eine Front zur Verteidigung des bäuerlichen Saatguts zu bilden. Auf dem Treffen wurden die nationale und internationale Situation der Verwendung von GVOs, die Präsenz der Agrarindustrie sowie ihre Auswirkungen auf die Gesundheit und die Souveränität der Gebietskörperschaften und Territorien erörtert.

Gleichzeitig pflanzte die Organisation "Las Yerbateras" im Zentrum von Caracas traditionellen Guanape-Mais, um ihr Engagement für den Schutz einheimischer Sorten zu bekräftigen. Saatgut bedeute Leben und Souveränität und sei keine Ware. Das Saatgut des Guanape-Maises müsse einheimisch, frei von Pestiziden und gentechnischen Veränderungen und resistent gegen Schädlinge sein und von Bauern aus dem Valle Guanape im Bundesstaat Anzoátegui stammen.

Im Laufe der Woche fanden zahlreiche Informationsveranstaltungen statt, bei denen über die Notwendigkeit der Verteidigung des Saatgutgesetzes diskutiert und zur Bildung lokaler Komitees für Qualitätssicherung und von Zentren für den Schutz von bäuerlichem Saatgut aufgerufen wurde.

Am 27. Mai organisierten die Verfechter Gentechnik-freien Saatguts in der Experimentellen Universität der Künste (Uneartes) gemeinsam mit der Kampagne für ein gentechnikfreies Venezuela und dem Lateinamerikanischen Institut für Agrarökologie Paulo Freire Veranstaltungen, um die Bedeutung von Saatgut in den traditionellen Kulturen sowie die Auswirkungen von gentechnisch verändertem Saatgut auf die bäuerliche Landwirtschaft zu diskutieren.

In Venezuela gibt es eine starke Lobby der transnationalen Agrarkonzerne, die eine aggressive Kampagne zur Diskreditierung von bäuerlichem, lokalem, indigenem und afro-indigenem Saatgut finanzieren, während sie gleichzeitig genetisch verändertes Saatgut im Osten des Landes verbreiten und eingeschmuggeltes Gen-Maissaatgut einsetzen. Sie fordern die Änderung des Saatgutgesetzes, was aus Sicht der sozialen Bewegungen auch der Souveränität des Landes zuwider läuft.

Die Artikel des Gesetzes erklären ausdrücklich das Verbot der Einfuhr, der Erzeugung, des Handels, des Vertriebs, der Aussaat, der Verwendung und der Vermehrung von gentechnisch veränderten Organismen und Pflanzen (Artikel 64), das Verbot der Einführung, Freisetzung, Vermehrung und genetischen Verbesserung von Saatgut, das die Ökosysteme, die menschliche Gesundheit oder die nationale Souveränität gefährdet (Artikel 65), und das Verbot der Erteilung von Züchterrechten (Artikel 66).