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Regierung Lula lanciert in Brasilien Maßnahmen gegen Rassismus

Maßnahmenpaket gegen rassistische Diskriminierung und Benachteiligung. Auch Leitungsebenen sollen "das Gesicht der brasilianischen Gesellschaft" reflektieren

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Präsident Lula da Silva und Ministerin Anielle Franco
Präsident Lula da Silva und Ministerin Anielle Franco

Brasilia. Der brasilianische Präsident Lula da Silva hat ein "Maßnahmenpaket zum Kampf gegen den Rassismus" gemeinsam mit dem Ministerium für ethnische Gleichstellung ausgearbeitet und im Präsidentenpalast verkündet. Mit der Einrichtung des Ministeriums, das heute von der vormaligen Aktivistin Anielle Franco geführt wird, hatte Staatspräsident Lula zu Beginn seiner ersten Amtszeit 2003 ein Zeichen gesetzt.

Nationale und internationale Beachtung fand vor allem das Dekret für eine "Schwarzenquote" unter Regierungsmitarbeiter:innen. Demnach sollen bis Ende 2025 mindestens 30 Prozent der Führung- und Entscheidungspositionen in den Ministerien und höheren Verwaltungsebenen mit Schwarzen Personen besetzt werden. Lula hat wiederholt betont, dass seine Regierung "das Gesicht der brasilianischen Gesellschaft" reflektieren soll. Nach Angaben des nationalen Instituts für Geographie und Statistik bezeichneten sich 2021 rund 54 Prozent als Schwarz.

Darüber hinaus stellten Lula und Franco die folgenden Maßnahmen vor: Die Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe für ein neues "nationales Programm für Affirmative Aktionen". Das Programm soll vor allem den Zugang und Verbleib von Schwarzen Schüler:innen und Studierenden im Bildungssystem verbessern. Ein weiterer Aktionsplan "Juventude Negra Viva" soll beitragen, die hohe Selbstmordrate unter Schwarzen Jugendlichen zu reduzieren.

Einer interministeriellen "Arbeitsgruppe Cais do Valengo” wird die Aufgabe übertragen, ein "Dokumentationszentrums für afrikanisches Erbe" aufzubauen. Der Valengo-Kai ist ein ehemaliger Anlegeplatz am Hafen von Rio de Janeiro, der 2017 als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Bis zum Verbot des atlantischen Sklavenhandels wurden an dem heute archäologischen Ort nach Schätzungen bis zu einer Millionen versklavter Menschen an Land geschleppt.

Schließlich sollen mit dem Programm "Aquilomba Brasil" die Rechte, Infrastruktur und Lebensqualität der Bewohner:innen ehemaliger Quilombos verbessert werden. Quilombos waren zu Zeiten der Sklaverei kleine Dörfer und Siedlungen versklavter Menschen oder geflohener Sklaven, die oft Keimzellen von Widerstand wurden. Das Programm soll interministeriell arbeiten und rund eine Millionen ehemaliger Qilomba-Bewohner:innen begünstigen.

"Der Rassismus ist die Wurzel der Ungleichheiten, daher müssen wir ihn wie das Ungeziefer in unseren Pflanzen ausrotten", sagte Lula bei der Vorstellung der Maßnahmen. "Kein Land ist eine Demokratie, solange die Hautfarbe der Menschen die Chancen bestimmt, die sie im Verlauf ihres Lebens haben", so Lula weiter. Es sei die Aufgabe des Staates, "die gleichen Chancen für alle zu gewährleisten", erklärte der im Oktober zum zweiten Mal in das Präsidentenamt gewählte Linkspolitiker.

Brasilien war das letzte Land auf dem südamerikanischen Kontinent, das 1888 die Sklaverei abschaffte. Es weist die größten Schwarzen Bevölkerungsgruppen außerhalb Afrikas auf, die in den Eliten aber strukturell unterrepräsentiert sind. Nach einer von Le Monde zitierten Erhebung waren 2021 nur etwa fünf Prozent der leitenden Angestellten der 500 größten brasilianischen Unternehmen Schwarz oder Teil einer ethnischen Minderheit. Laut einer von der Landesuniversität von Rio de Janeiro durchgeführten Studie waren 2020 nur zehn Prozent der Schüler:innen der 20 besten brasilianischen Privatschulen Schwarze.

Bei dem Festakt anlässlich der Verkündung des Maßnahmenpakets wurde auch an das Anfang 2003 – in Lulas erster Amtszeit – eingerichtete "Sondersekretariat zum Voranbringen der ethnischen Gleichstellung" erinnert. Es war unter anderem dafür verantwortlich, dass Geschichte der afrikanischen und afrobrasilianischen Kulturen in den Grundschullehrplan aufgenommen sowie an den Universitäten Quoten für die Absolvent:innen öffentlicher Sekundarschulen eingeführt wurden. Die zuständige Ministerin Franco, die selbst dank der Quotengesetze die Landesuniversität von Rio de Janeiro besuchte, würdigte diese Maßnahmen als wegweisend für die Schwarze Bevölkerung.

Lula nutzte den Anlass zu einer Kritik an seinem Amtsvorgänger Jair Bolsonaro. Dieser habe eine Politik betrieben, um "zur kolonialen Vergangenheit zurückzukehren". Bolsonaro gilt nach seiner knappen Wahlniederlage in der brasilianischen Politik weiter als einflussreich.