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Das heiße Eisen einer neuen "robusten" Intervention in Haiti

Trotz massiver Proteste gegen jede Intervention von außen will Premier Henry die Entsendung einer multinationalen Truppe erreichen. Unterstützung aus den USA, Widerspruch aus China und Russland

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Henry und Blinken trafen sich am 6. Juli in der US-Botschaft in Port of Spain
Henry und Blinken trafen sich am 6. Juli in der US-Botschaft in Port of Spain

Port-au-Prince/Port of Spain. US-Außenminister Antony Blinken hat bei einem Treffen mit dem haitianischen Premierminister Ariel Henry auf Trinidad und Tobago seine Unterstützung für eine ausländische Intervention in Haiti erklärt.

Henry hatte seit vergangenem Oktober mehrfach um die Entsendung einer multinationalen Truppe ersucht. Bislang hat kein Land direkt angeboten, entsprechende Kräfte zu führen.

Das Ansinnen des amtierenden, aber nicht gewählten Premiers, ausländische Soldaten und Polizisten ins Land zu holen, löste in Haiti massive Unruhen aus. Tausende Menschen gingen in zahlreichen Städten auf die Straße, forderten den Rücktritt Henrys und protestierten gegen jegliche Intervention von außen.

Die letzte Intervention in dieser Art, die "Stabilisierungsmission" der Vereinten Nationen Minustah von 2004 bis 2017, gilt weithin als gescheitert und hinterließ bis heute nicht aufgearbeitete Verwerfungen wie die Verantwortung von UN-Truppen für eine Cholera-Epidemie mit mehr als 10.000 Toten und 800.000 Infizierten im Jahr 2010 sowie hunderter schwerer sexueller Übergriffe von UN-Blauhelmen vor allem gegenüber Frauen und Mädchen. Die Minustah sorgte im Land auch immer wieder für Proteste, weil sie als Besatzungsmacht nach dem Putsch gegen den linken Präsidenten Jean Bertrand Aristide begriffen wurde.

Die USA wollten "dem haitianischen Volk bei der Gestaltung seiner Zukunft helfen", indem sie die Wiederherstellung der "demokratischen Ordnung des Landes durch freie und faire Wahlen" unterstützen, sagte Blinken auf dem Gipfel der Karibischen Gemeinschaft (Caricom), zu dem er eingeladen war.

Der US-Außenminister wies darauf hin, dass Haiti diese Ziele ohne Sicherheit nicht erreichen könne, weshalb Washington bisher schon "der größte internationale Geber für die haitianische Nationalpolizei" sei und die "Forderung der haitianischen Regierung nach einer multinationalen Truppe unterstützt“, die bei der Wiederherstellung der Sicherheit helfen würde.

Blinken äußerte sich in dieser Weise kurz nachdem UN-Generalsekretär António Guterres "eine robuste internationale Truppe zur Unterstützung der haitianischen Nationalpolizei" gefordert hatte. Guterres erklärte seine Sorge “über die extreme Verwundbarkeit von Einzelpersonen und Gemeinschaften durch diese räuberischen Banden und insbesondere über die unverhältnismäßigen Auswirkungen der Gewalt auf Frauen und Mädchen".

Diplomatische Vertreter Russlands und Chinas haben sich jedoch vor dem UN-Sicherheitsrat skeptisch über den Einsatz einer internationalen Truppe in Haiti geäußert.

"Manche sehen in einer multinationalen Truppe ein Allheilmittel, obwohl die Geschichte zeigt, dass solche ausländischen Interventionen in Haiti mehr Schaden als Nutzen gebracht haben", sagte der stellvertretende russische UN-Botschafter Dmitri Polianski. Es sollten auch andere Stimmen in Haiti angehört werden, welche Alternativen zur Lösung der schweren Sicherheitskrise möglich wären.

Auch der chinesische UN-Botschafter Zhang Jun forderte eine genauere Analyse der Situation, um weitere Initiativen vorzuschlagen, bei denen die Haitianer über ihr eigenes Schicksal entscheiden könnten.

"Wir haben viele Reden gehört, in denen die Unterstützung für eine solche Truppe bekundet wurde, aber kein Land hat konkrete Maßnahmen angekündigt, so dass es wohl noch eingehenderer Studien bedarf, bevor wir einen brauchbaren Vorschlag unterbreiten können", sagte er.

Die Beratungen des Sicherheitsrates am Vortag fielen mit dem zweiten Jahrestag der Ermordung des ehemaligen haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse zusammen, der am 7. Juli 2021 von einem Kommando schwer bewaffneter, meist kolumbianischer Söldner getötet wurde. Dieses Ereignis verschärfte die umfassende Krise des Karibikstaates. Seither gibt es keine gewählte Regierung im Land.