Caracas. Die venezolanische Regierung hat nach alarmierenden Berichten von Wissenschaftlern einen Notfallplan zur Reinigung und Eindämmung von Ölverschmutzungen im Maracaibo-See im westlichen Bundesstaat Zulia in die Wege geleitet.
Mit einer Fläche von 13.000 Quadratkilometern ist er der größte See Südamerikas und beherbergt rund 145 Fischarten und etwa 200 Kilometer Mangroven entlang seiner Ufer. Er liegt in einer historisch bedeutenden Ölförderregion, die rund 15 Prozent der venezolanischen Rohölreserven enthält.
Am 24. Juli gab Präsident Nicolás Maduro die Bereitstellung von Mitteln zur Rettung des Sees bekannt. Dieser ist in den letzten Jahren von zunehmender Verschmutzungen durch ausgetretenes Öl aus korrodierten Pipelines, eingeleitete Abfälle, ungeklärte Abwässer und Industrieabwässer betroffen gewesen.
Die Aufgabe, den See zu säubern, wird vom Vize-Präsidenten für öffentliche Arbeiten und Dienstleistungen, Néstor Reverol, dem Ölminister Pedro Tellechea und dem Minister für Ökosozialismus, Josué Lorca, geleitet. Ein erstes Treffen fand am Mittwoch in der Stadt Maracaibo statt, um Vorschläge zu sammeln und Arbeitstische einzurichten. Mehr als 300 Personen nahmen teil, darunter 105 Wissenschaftler von Universitäten aus dem ganzen Land, Basiskollektive, Fischereikomitees und Umweltbewegungen. Der Gouverneur des Bundesstaates Zulia, Manuel Rosales von der Oppositionspartei Un Nuevo Tiempo, sowie Bürgermeister aus 21 Gemeinden waren ebenfalls anwesend.
Laut Reverol hat der Ausschuss sechs Aktionslinien zur Dekontaminierung des Sees, zur Wiederherstellung der Vegetation und zur Rettung und Erhaltung der Tierwelt festgelegt. "Wir sind nicht hier, um Dinge zu versprechen, die wir nicht einhalten werden. Wir sind hier, um einen ernsthaften Plan zu erstellen."
Einige konkrete Schritte sind bereits eingeleitet worden. So wurden sechs von 48 Unternehmen an den Ufern des Sees wegen Nichteinhaltung der Umweltvorschriften geschlossen. Außerdem werden mehrere Wasseraufbereitungsanlagen wiederhergestellt. Die Behörden werden sich auch mit der kolumbianischen Regierung zusammenschließen, um 135 Flüsse, die in den See münden, zu untersuchen und zu reinigen.
Die staatliche Erdölgesellschaft PDVSA hat ihrerseits einen Plan zur Verhinderung künftiger Ölverschmutzungen vorgelegt und erklärt, dass dies eine Priorität in der Gesamtstrategie sein werde.
Seit 2016 gibt es keine offiziellen Daten mehr über Ölverschmutzungen. Mehrere Umweltorganisationen haben indes Schätzungen veröffentlicht, nachdem sie Satellitenbilder des Maracaibo-Sees analysiert und Untersuchungen vor Ort durchgeführt haben.
Berichten zufolge laufen rund 28.000 Kilometer Ölpipelines durch den See, die Raffinerien und Lagerzentren in den Bundesstaaten Zulia und Falcón miteinander verbinden. Mehr als 22.000 Kilometer der Rohre sind aber derzeit inaktiv und einige sind korrodiert, sodass das restliche Rohöl mit der Zeit ausläuft.
Im August 2022 schätzte die Beobachtungsstelle für Umwelt und Menschenrechte, dass täglich etwa 1.000 Barrel Rohöl aus den korrodierten Pipelines sowie aus verfallenden Lagertanks und anderen beschädigten Infrastrukturen in den See gelangen.
Die Beobachtungsstelle zählte 199 Ölverschmutzungen zwischen 2016 und 2021, eine andere Umweltorganisation meldete 86 im Jahr 2022. Eine Studie der Akademie der Wissenschaften ergänzte, dass zwischen 2020 und 2021 etwa 200.000 Barrel Land und Wasser verunreinigten, betroffen ist vor allem der Maracaibo-See.
Die lokale Fischereigemeinschaft, der etwa 10.000 Menschen angehören, hat ebenfalls angeprangert, dass Öl die Küstenlinie bedeckt, ihre Netze beschädigt und die Zahl der Wasserlebewesen erheblich reduziert hat. Bei Untersuchungen wurden in den Fischen hohe Vanadium- und Bleikonzentrationen festgestellt. Das sind die Metalle, die am häufigsten in Öl vorkommen. Außerdem wurde das Wasser positiv auf Schwefel, Fluorid, Stickstoff und Reinigungsmittel getestet.
Venezuelas Ölinfrastruktur hat sich nach jahrelangen fehlenden Investitionen und mangelnden Wartungsarbeiten in einer durch US-Sanktionen verschärften Wirtschaftskrise stark verschlechtert. Seit 2017 haben Washingtons Maßnahmen es nahezu unmöglich gemacht, dringend benötigtes ausländisches Kapital sowie Betriebsmittel zu beschaffen. Zahlreiche Unternehmen weigern sich, Geschäfte mit Caracas zu machen, weil sie befürchten, von sekundären Sanktionen betroffen zu werden.
Darüber hinaus hat die Abwanderung von Fachkräften in der Ölindustrie notwendige präventive Arbeiten reduziert. Dies erhöht die Häufigkeit von Betriebsstörungen und Ölverschmutzungen.