Der Brics-Gipfel in Johannesburg bewegt die Welt

Starke Präsenz Lateinamerikas und Afrikas. Auf der Agenda Multilateralismus und Aufnahme neuer Mitglieder. Weit geteiltes Interesse an einer Entdollarisierung des internationalen Finanzsystems

lula-rousseff-bric-gipfel-johannesburg.jpeg

Mit Lula da Silva und Dilma Rousseff hat Brasilien großes Gewicht in der Brics-Gruppe
Mit Lula da Silva und Dilma Rousseff hat Brasilien großes Gewicht in der Brics-Gruppe

Johannesburg. Seit Dienstag ist der Gipfel der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) in der Hauptsdtadt Südafrikas in vollem Gange. Das 15. Spitzentreffen der Ländergruppe findet unter dem Motto "Brics und Afrika: Partnerschaft für gegenseitig beschleunigtes Wachstum, nachhaltige Entwicklung und inklusiven Multilateralismus" statt.

Am parallel stattfindenden "Brics-Plus-Dialog" nehmen aus Lateinamerika Bolivien, Kuba und Venezuela teil.

Auf der Agenda stehen auch die Beitrittswünsche von mehr als 20 Ländern. In einer vor dem Auftakt im Fernsehen übertragenen Ansprache sagte der Präsident des Gastgeberlandes, Cyril Ramaphosa, dieser Gipfel fände zu einer Zeit statt, in der die Welt vor grundlegenden Herausforderungen stehe, die den Verlauf der internationalen Ereignisse in den kommenden Jahren bestimmen würden. Es werde eine neue globale Ordnung benötigt, die nicht von unilateraler Machtausübung abhänge, sondern der Förderung der Interessen der Völker der Welt diene, betonte der Gastgeber.

Für eine Erweiterung hatte die Brics-Gruppe, die 25 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) repräsentiert und im März die G7-Industrieländer damit überholte, bereits 2017 einen Mechanismus mit der Bezeichnung "Brics-Plus-Dialog" beschlossen.

Zu den Ländern, die einen formellen Antrag auf Beitritt gestellt haben, gehören Ägypten, Algerien, Argentinien, Bangladesch, Bahrain, Bolivien, Kuba, Äthiopien, Honduras, Indonesien, Iran, Kasachstan, Kuwait, Marokko, Nigeria, Palästina, Saudi-Arabien, Senegal, Thailand, die Vereinigten Arabischen Emirate, Venezuela und Vietnam.

Am Beispiel Argentinien zeigten sich jedoch bereits komplizierte Fragen, die für eine Umsetzung der Erweiterung von Brics geklärt werden müssen. Argentiniens Präsident Alberto Fernández, der zuvor als Gast in Johannesburg angekündigt war, reiste überraschend nicht an. Er hatte 2022 formell den Beitritt zu dem Bündnis beantragt.

Kommentatoren sehen einen Zusammenhang zwischen dem Zögern Argentiniens und einem parallel stattfindenden Treffen einer argentinischen Delegation mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Desweiteren könnte dies eine Folge der Ergebnisse der Vorwahlen vom 13. August sein, die einen Ultra-Neoliberalen in einer starken Position für die nächsten Präsidentschaftswahlen zeigten.

Ein Teilnehmer der argentinischen Delegation in der US-Hauptstadt verwies gegenüber der Zeitung Página12 auf den Interessenkonflikt zwischen der IWF-Struktur und Brics. So sei nicht zu übersehen, dass es die Strategen des Fonds unter der Führung der USA "überhaupt nicht stört", wenn die Brics-Guppe mit Brasilien als Schlüsselmitglied nicht in der Lage wäre, neue Mitglieder aufzunehmen.

Brasilien hat mit der Rückkehr von Luiz Inácio Lula da Silva an die Regierung nach der Amtszeit von Jair Bolsonaro deutlich an Gewicht gewonnen und den Schritten von Brics mehr Nachdruck gegeben. Auf Vorschlag Lulas wurde Brasiliens Ex-Präsidentin Dilma Rousseff Leiterin der Brics-Bank und Argentinien reichte seinen Antrag auf Beitritt zu dem Block ein. Die Brics-Bank selbst und die Vorschläge Chinas zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten verändern die Welt und stellen den traditionellen internationalen Kreditgebern IWF und Weltbank einen Rivalen zur Seite, der ihre Hegemonie in Frage stellen kann.

Lula bestand in Südafrika auf dem Beitritt Argentiniens zu Brics und sagte, dass die Regierung Fernández vom IWF "gefangen gehalten" werde. Er werde Argentinien erneut auffordern, der Organisation beizutreten. Lula verwies auf die Möglichkeit des Handels in der chinesischen Währung Yuan und erinnerte daran, dass die argentinische Regierung sich wegen eines Kredits, den der Fonds dem ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri "aus wahltaktischen Gründen“ gewährt hatte, "in den Fängen des IWF" sei.

Das Nachbarland solle an Brics teilnehmen: "Wir werden bei dem Treffen sehen, ob es jetzt oder in zwei Monaten oder in der Zukunft sein wird, aber es ist wichtig, dass Argentinien den Brics beitritt. Brasilien kann nicht eine Politik der industriellen Entwicklung betreiben und dabei vergessen, dass Argentinien ein Land ist, das mit uns zusammen wachsen muss und über Kaufkraft verfügt", erklärte Lula.

Aus Sicht der argentinischen Regierung spielen auch interne Streitigkeiten im Land bei der Verzögerung eines Brics-Beitritts eine Rolle. Mit einem Sieg von Javier Milei bei den kommenden Präsidentschaftswahlen käme eine Kraft an die Regierung, die eine "Dollarisierung" Argentiniens im Programm tragen würde. Auch die Regierung Lula hat kein Interesse an einer argentinischen "ultrarechten" Regierung an ihrer Seite, die eine "Kontaminierung" der Brics verursachen würde.

Lula ist schon länger einer der Hauptbefürworter der Schaffung einer Handelswährung zwischen den Brics-Staaten und weiteren Ländern, um die Verwendung des US-Dollars im Handel zu vermeiden. Er verglich die Politik des IWF mit dem System, das von Portugal während der Kolonialzeit zur wirtschaftlichen Unterwerfung der Bevölkerung eingesetzt wurde.

Es gebe weitere Länder wie Argentinien, die für ihren Handel keine US-Dollars kaufen können. Deswegen sei es gut, "in unseren Währungen mit den Mechanismen unserer Zentralbanken Handel zu treiben", so Lula. Dies bedeute nicht, "den Dollar zu ignorieren, der weiterhin funktionieren wird, aber auf diese Weise müssen wir nicht mehr auf die Suche nach Dollars gehen, weil wir in unseren Währungen handeln".

Die Staats- und Regierungschefs der Brics-Länder werden in Johannesburg Vorschläge zur Schaffung einer gemeinsamen Währung für globale Transaktionen im Rahmen einer Politik der Entdollarisierung diskutieren. Die Idee Russlands, einen Korb nationaler Währungen der Mitgliedsländer der Organisation zu schaffen, wird zur Sprache kommen.

Eine wichtige Rolle wird dabei die Brics-Bank einnehmen, die bis 2026 30 Prozent der Kredite in Landeswährungen vergeben will. Ägypten trat der Bank im Februar bei, um seine Devisenknappheit zu lindern. Kairo plant, Importe aus Indien, China und Russland in der jeweiligen Landeswährung und nicht in US-Dollar zu bezahlen.

An der Entdollarisierung des Handels gibt es in der Welt ein enormes Interesse. Viele afrikanische Staatsoberhäupter sehen die Dominanz des US-Dollar im globalen Finanzsystem als strukturelles Hindernis für das Wirtschaftswachstum ihrer Länder. Die Zinserhöhungen in den USA und die Stärkung des Dollar gegenüber fast allen wichtigen Währungen als eine Folge des Kriegs in der Ukraine haben die Bedienung von Schulden verteuert und die Kosten für die Einfuhr von in Dollar gepreisten Waren zusätzlich erhöht.

Das Gipfeltreffen wird heute mit einer gemeinsamen Erklärung abgeschlossen.

Aktualisierung:

Entgegen zwischenzeitlichen Spekulationen ist Argentinien doch bei der ersten Erweiterung der Brics-Gruppe dabei. Das südamerikanische Land wie auch der Iran, Saudi-Arabien, Äthiopien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate werden dem Block zum 1. Januar 2024 beitreten.