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Peru: Internationale Organisationen verurteilen drohende Absetzungen in Justizbehörde

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Proteste peruanischer Organisationen der Plattform für Demokratie (Plataforma por la Democracia) in der Hauptstadt Lima
Proteste peruanischer Organisationen der Plattform für Demokratie (Plataforma por la Democracia) in der Hauptstadt Lima

Lima. Die jüngste Verabschiedung eines Antrags im peruanischen Kongress, der auf ein Schnellverfahren zur Absetzung aller Mitglieder des Nationalen Justizrats (Junta Nacional de Justicia, JNJ) abzielt, hat bei internationalen Organisationen Besorgnis ausgelöst. Der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Volker Türk, forderte den peruanischen Kongress auf, die Unabhängigkeit der Justiz und das Gleichgewicht der Kräfte zu respektieren. Der Justizrat ist die Behörde, die für die Ernennung und Untersuchung von Richter:innen und Staatsanwält:innen zuständig ist.

Sechs Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Corte IDH) zu Fällen der willkürlichen Entlassung von Richter:innen in Lateinamerika unterstützen den Appell an die Unabhängigkeit der Justiz. Die Positionierung der internationalen Organisationen steht darüber hinaus im Einklang mit der 2001 unterzeichneten Interamerikanischen Demokratiecharta und den 1985 von der Versammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten Grundsätzen zur Unabhängigkeit der Justiz, zu deren Einhaltung sich Peru verpflichtet hat.

Als Mitglied der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist Peru des Weiteren verpflichtet, die Resolutionen von Gremien wie der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) und des Corte IDH zu respektieren.

Peruanische Organisationen, die der Plattform für Demokratie (Plataforma por la Democracia) angehören, hatten vorvergangenen Samstag in der peruanischen Hauptstadt Lima zu Protesten mobilisiert, um ein Ende der vom Kongress durchgeführten Ermittlungen gegen den Justizrat zu fordern. Die Plattform für Demokratie setzt sich aus rund 60 sozialen, gewerkschaftlichen, universitären, politischen und familiären Organisationen von Opfern polizeilicher und militärischer Repression zusammen.

Auch erklärten die Botschaften von Argentinien, Australien, Kanada, Finnland, Frankreich, Mexiko, des Vereinigten Königreich und der Vereinigten Staaten in Peru, dass sie sich für die Gewaltenteilung aussprechen. Nach Ansicht von Verfassungs- und Völkerrechtsexpert:innen sei kein schweres Fehlverhalten festzustellen, welches die Absetzungen rechtfertigen würde.

Bislang sind die Gründe für die Ermittlungen gegen die Mitglieder des Justizrats noch unklar. Expert:innen vermuten, dass die Entscheidung mit bevorstehenden Ermittlungsverfahren gegen die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori, sowie der Staatanwältin Patricia Benavides zusammenhängt.

Die ehemalige Premierministerin Mirtha Vásquez kritisiert die derzeitige Regierung und den Kongress scharf. Ihrer Ansicht nach haben beide eine Koalition gebildet, um sich an der Macht zu halten. Nach einer Phase autoritären Regierens und dem Tod dutzender Peruaner:innen im Zuge ziviler Proteste, die im Dezember des vergangenen Jahres ihren Anfang nahmen, würden nun Schlüsselinstitutionen besetzt. Diese Institutionen seien essentiell für die Aufrechterhaltung der Demokratie. Weiterhin betonte Vásquez, dass es offenbar ein gezieltes Bestreben gebe, die Wahlorgane zu unterwandern, um diese mit Personen zu besetzen, die den Interessen des Kongresses dienen. Infolgedessen könne nicht "garantiert werden, dass die nächsten Wahlen frei und souverän sein werden".

Indes deutet alles darauf hin, dass die Unzufriedenheit der Peruaner:innen mit Dina Boluarte als Präsidentin zunimmt (amerika21 berichtete). Nach neuesten Umfragen des Meinungsforschungsinstituts CIT Opinión & Mercado lehnen 82 Prozent der Peruaner:innen Boluarte als Präsidentin des Landes ab. Besonders unzufrieden zeigen sie sich demnach mit dem Vorgehen der Präsidentin bei der Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Krise des Landes. Auch der Kongress erreichte mit 86 Prozent Ablehnung einen weiteren Tiefpunkt.

Der ehemalige Minister Juan Sheput kommentierte bezüglich der Umfrageergebnisse: "Jeder vernünftige Mensch erkennt, dass dieser Kongress längst jede Art von moralischer Grenze oder öffentlichem Schamgefühl zerstört hat. Sie handeln mit Unverfrorenheit".

Gegen Boluarte laufen zudem mehrere Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Völkermordes, schwerer Tötung und schwerer Körperverletzung, die in Zusammenhang mit den Protesten gegen die Regierung seit Dezember 2022 registriert wurden. Dabei waren fast 70 Menschen durch Polizeigewalt getötet worden.