Folterzentrum der argentinischen Diktatur wird Weltkulturerbe

Mechanikerschule der Marine nun in einer Liste mit deutschem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Hoffnung auf institutionelle Absicherung und Antwort auf geschichtsrevisionistische Tendenzen

Buenos Aires/Riad. Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) hat das Museum der ehemaligen Mechanikerschule der Marine (ESMA) in Buenos Aires in die Liste von Welterbestätten aufgenommen. Dies beschloss das Welterbekomitee in seiner 45. Sitzung, die vom 10. bis 25. September in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad stattfand.

Die von der Unesco geführte Welterbeliste umfasst aktuell 1.199 Stätten aus 168 Staaten. Davon sind 933 Kultur- und 227 Naturstätten, während 39 als Kultur- wie auch als Naturerbe zählen. Neben den großen kulturellen Errungenschaften der Menschheit nennt die Liste auch Stätten, die "die Abgründe und Gräuel der menschlichen Geschichte" bezeugen, wie es auf der Website der Organisation heißt. Dazu zählen etwa das ehemalige NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das frühere Zentrum des Sklavenhandels Gorée Island im Senegal oder die Gefängnisinsel Robben Island in Südafrika. Nun wurde auch das Museum im ehemaligen Offizierskasino der ESMA in diese Liste eingereiht.

Das weitläufige Gelände der Mechanikerschule der Marine in Argentiniens Hauptstadt beherbergte in der Zeit der letzten zivil-militärischen Diktatur und darüber hinaus ein geheimes Internierungszentrum. Dort wurden zwischen 1976 und 1984 rund 5.000 zuvor von Einsatzgruppen der Marine entführte Regimegegner:innen gefoltert und zum Großteil ermordet. Viele von ihnen warf man lebend aus Flugzeugen in den Rio de la Plata.

2004 veranlasste die Regierung unter dem damaligen Präsident Nestor Kirchner die Enteignung der ESMA aus den Händen der Marine. In der Folge entstanden dort ein Erinnerungsort und ein Ort der Menschenrechte. 2015 eröffnete eine permanente Ausstellung über die Verbrechen der Diktatur im früheren Offizierskasino, in dem das geheime Internierungszentrum untergebracht war. Die ehemaligen Folterkammern und Zellen sind erhalten und können heute museal kontextualisiert oder in geführten Rundgängen besichtigt werden. 2015 begannen auch die ersten Anstrengungen zur Aufnahme in die Welterbeliste der Unesco.

Das Welterbekomitee strich in seiner Begründung die Bedeutung der ESMA als Symbol für die "illegale Repression" hervor, "welche die Diktaturen Lateinamerikas in den 1970er und 1980er Jahren planten und vollzogen".

Diese Formulierung ist bedeutsam, betont sie doch die Existenz eines systematischen Plans zur Verfolgung und Ermordung von Regimegegner:innen über die einzelnen Staaten hinaus im gesamten lateinamerikanischen Raum. Das Komitee sieht in der ESMA daher einen Ort von "außerordentlichem universellem Wert".

An die Aufnahme in die Unesco-Liste knüpft sich auch die Hoffnung, dass die ESMA im Falle möglicher künftiger Regierungen, die die bisherige Erinnerung an die Diktaturverbrechen umkehren wollen, institutionell besser abgesichert ist. 2007 wurden bereits mehrere Archive, die die Menschenrechtsverletzungen der Junta dokumentieren, in die Unesco-Liste "Memory of the World" aufgenommen.

Präsident Alberto Fernández zeigte sich über die Entscheidung der Unesco erfreut: "Die Erinnerung muss am Leben erhalten werden, damit sich solche schlechten Erfahrungen nicht wiederholen. Argentinien litt in dieser Zeit unter der Verfolgung aller, die sich gegen die Diktatur stellten. Manche wurden verfolgt, verhaftet und gefoltert. Andere landeten im Exil, andere wurden ermordet und wieder andere verschwanden einfach von der Erdoberfläche".

Der Staatssekretär für Menschenrechte, Horacio Pietragalla Corti, kommentierte: "Diese Anerkennung auf internationaler Ebene ist eine überzeugende Antwort auf die Diskurse, die hierzulande den Staatsterrorismus und die Verbrechen der letzten zivil-militärischen Diktatur leugnen oder zu relativieren versuchen". In ähnlichem Sinne äußerte sich auch Außenminister Santiago Cafiero: "Während die Negationisten der Rechten die effektive Erinnerungspolitik in unserem Land in Zweifel ziehen, lässt uns die internationale Gemeinschaft große Anerkennung zukommen".

Die Statements nehmen unter anderen Bezug auf zuletzt getätigte Äußerungen aus dem Lager des ultrarechten Präsidentschaftskandidaten Javier Milei. So hatte Mileis Vize-Präsidentschaftskandidatin Victoria Villarruel kürzlich zu einem "Gedenken für die Opfer des Terrorismus" – gemeint sind von bewaffneten Widerstandsgruppen getötete Militärs – geladen.

Milei selbst stellte in der im Fernsehen ausgestrahlten Diskussionsrunde aller Präsidentschaftskandidaten erneut die Zahl von 30.000 Verschwundenen in Frage. Sie ist unter Menschenrechtsgruppen in Argentinien seit Jahrzehnten anerkannt.

Ebenso setzte er den bewaffneten Widerstand linker Gruppen mit dem systematischen Vernichtungsplan der Diktatur gleich, dessen Existenz in zahlreichen Strafprozessen gerichtlich bestätigt worden ist. Milei sieht stattdessen einen "Exzess" im Rahmen eines von beiden Seiten geführten "Krieges".