Begleitet von Protesten: Präsidentin von Peru zu Gast in Deutschland

Boluarte trifft Bundespräsident und Oberbürgermeister von Stuttgart. Kritik: "Antidemokratisches Vorgehen wird durch schöne Bilder legitimiert"

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Bundespräsident Steinmeier hatte Boluarte an seinem Amtssitz mit militärischen Ehren empfangen
Bundespräsident Steinmeier hatte Boluarte an seinem Amtssitz mit militärischen Ehren empfangen

Berlin/Stuttgart. Die peruanische Präsidentin Dina Boluarte hat sich bei Ihrem Deutschlandbesuch vergangene Woche mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) getroffen.

Zuvor war sie "Ehrengast" auf dem Lateinamerika-Tag in Stuttgart und führte dort auch Gespräche mit Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU). Der Besuch wurde von Protesten der peruanischen Community in Deutschland begleitet.

Bei Ihrer Rede auf dem Lateinamerika-Tag betonte Boluarte, dass sie ihrem Land wieder "Stabilität" gegeben hat. Nur durch die "enge Bindung an die Verfassung", habe sie die "politische Krise" überwinden können.

Boluarte hatte ihr Amt im Dezember 2022 angetreten, nachdem das Parlament den linksgerichteten Präsidenten Pedro Castillo abgesetzt hatte. Bei den darauffolgenden landesweiten Protesten töteten Sicherheitskräfte mindestens 49 Demonstrierende. Amnesty International sowie die Interamerikanische Menschenrechtskommission stellten schwere Menschenrechtsverletzungen fest.

Beim Empfang durch Oberbürgermeister Nopper stand der wirtschaftliche und technologische Austausch zwischen Peru und der Region Stuttgart im Mittelpunkt. Während des Treffens kam es zu Protesten vor dem Veranstaltungsort.

Die Auswahl und Einladung Boluartes als Ehrengast des Lateinamerika-Tages war über den in Hamburg ansässigen Lateinamerika Verein erfolgt. Dieser wollte sich gegenüber amerika21 zu der Kritik an der Präsidentin nicht äußern. Schirmherr des Lateinamerika-Tages war Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Auf Anfrage von amerika21 betonte die baden-württembergische Landesregierung, es sei nicht ihre Aufgabe, sich zu innenpolitischen Angelegenheiten anderer Staaten zu äußern. Stattdessen habe man ein Interesse am Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und Lateinamerika.

Während des Arbeitsbesuchs der peruanischen Staatschefin bei Bundespräsident Steinmeier in Berlin standen umweltpolitische Themen an erster Stelle. Peru spiele als zweitgrößter Amazonasanrainer eine wichtige Rolle für den globalen Klimaschutz, so die Stabsstelle Kommunikation des Bundespräsidialamt gegenüber amerika21. Auch wirtschaftliche Themen sowie der Krieg in der Ukraine standen bei dem Austausch der Staatsoberhäupter auf der Agenda. Peru gilt als einer der wenigen Staaten in Südamerika, die die Position der Nato in dem Konflikt uneingeschränkt unterstützen. Laut Angaben des Bundespräsidialamts sind auch die Themen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zur Sprache gekommen. Ob Steinmeier die Menschenrechtssituation in Peru gezielt angesprochen hat, ist unklar.

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"Dina, Mörderin": Protest vor dem Schloss Bellevue
"Dina, Mörderin": Protest vor dem Schloss Bellevue

Während Präsidentin Boluarte in Schloss Bellevue mit militärischen Ehren empfangen wurde, erschallten von draußen Sprechchöre: "Dina Asesina“ (Dina, Mörderin) riefen die Demonstrierenden. Zu der Demonstration aufgerufen hatte die Organisation "Fujimori Nunca Más - Berlín".

Boluarte betonte gegenüber der Presse: "Die Einladung, die ich erhalten habe, ist ein deutliches Zeichen des Vertrauens, das uns die deutschen Institutionen entgegengebracht haben. Wir gelten als zuverlässiger Partner und attraktives Ziel für Investitionen".

Im Vorfeld des Besuchs hatte die deutsche Informationsstelle Peru einen offenen Brief an den Bundespräsidenten verfasst, in dem sie das Treffen kritisierte. Angesichts der Menschenrechtsverbrechen in Peru sei es unangemessen, Boluarte eine "Bühne für einen öffentlichkeitswirksamen Auftritt im Bundespräsidialamt zu bieten".

Auch die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sevim Dagdelen, äußerte sich in einer Pressemitteilung besorgt: "Das antidemokratische Vorgehen der De-facto-Präsidentin Perus darf nicht durch schöne Bilder aus Schloss Bellevue legitimiert werden".

Dagdelen weiter: "Die Bundesregierung ist aufgerufen, die peruanische Bevölkerung in ihrem Bemühen um eine friedliche Lösung der politisch-institutionellen Krise zu unterstützen. Dazu gehört auch die Forderung nach umgehender Freilassung von Pedro Castillo und vorzeitigen Neuwahlen sowie Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung".

In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion schlug auch die Bundesregierung kritischere Töne an: "Die Bundesregierung teilt die Besorgnis der Interamerikanische Menschenrechtskommission in Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen und sieht, wie der Bericht auch, die dringende Notwendigkeit einer raschen und effektiven Aufklärung durch spezialisierte Ermittlungsbehörden".

Darüber hinaus erwarte man, dass die Ermittlungen der peruanischen Generalstaatsanwaltschaft (amerika21 berichtete) "zügig nach rechtsstaatlichen Verfahren und unter Achtung der Gewaltenteilung durchgeführt werden".

Rund zwei Wochen vor ihrem Deutschlandbesuch hatte Boluarte bei einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen bei den Massenprotesten im Dezember 2022 jede Aussage verweigert. Ihr wird vorgeworfen, für den Tod von mindestens 49 Personen verantwortlich zu sein, die bei Demonstrationen nach der Absetzung Castillos von Sicherheitskräften getötet worden waren. Die Befragung dauerte keine zehn Minuten.