Präsident Petro auf Münchner Sicherheitskonferenz: "Soziale Gerechtigkeit statt Bomben"

Petro bemängelt Missachtung von UN-Friedensentscheidungen und regt "demokratischen Pakt" zwischen dem Norden und dem Süden an

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Kolumbiens Präsident Gustavo Petro plädiert auf der MSC für die Macht des Gemeinwohls statt des freien Marktes
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro plädiert auf der MSC für die Macht des Gemeinwohls statt des freien Marktes

München. Der für den Friedensnobelpreis nominierte kolumbianische Präsident Gustavo Petro hat auf der 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) den derzeitigen kriegerischen Sicherheitsansatz des Globalen Nordens scharf kritisiert. Beim Eröffnungspanel, zu dem erstmals ein südamerikanischer Präsident eingeladen war, betonte er die Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit für den Aufbau des Friedens auch auf globaler Ebene.

An der Paneldiskussion mit dem Titel "Growing the Pie: A Global Order That Works for Everyone" nahmen auch die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, und der Präsident von Ghana, Nana Akufo-Addo, sowie der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, teil.

Petro teilte Guterres' Einschätzung einer globalen Krise durch Kriege und Klimawandel. Sie bedeute einen umfassenden Zusammenbruch und das Ende des Paradigmas des freien Marktes, das weltweit die Regierungspolitik beherrscht habe. Dieses Paradigma habe der Menschheit die Drohung des Aussterbens und der Barbarei von 1933 beschert, so Petro.

Ein Symptom dafür seien die weltweiten Reaktionen auf den aktuellen "indirekten Völkermord": "Wir können nichts dagegen tun oder wir sind Komplizen davon". Petro spielte damit auf den Nahostkonflikt an, den auch Guterres angesprochen hatte.

Die Barbarei des Krieges sei analog zu einer möglichen bevorstehenden Entwicklung von Konflikten im Globalen Norden durch Migrationsströme aus dem Globalen Süden als Folge des Klimawandels. Die Antwort darauf sei "der Faschismus des Nordens und die Zerstörung der demokratischen Werte der Menschheit", betonte Petro.

Der kolumbianische Regierungschef sieht als Ausweg "einen demokratischen Pakt". Afrika und Südamerika hätten das größte Potenzial an sauberen Energien. "Sie [im Norden] haben den Kamin, der CO2 ausstößt und uns alle zur Ausrottung führt. Was machen wir? Die Barberei und den Krieg? Die Bombardierung? Oder einen demokratischen Pakt zwischen dem Norden und dem Süden?"

Hier sei ein Paradigmenwechsel notwendig: "Der Markt, wenn er allein agiert, führt uns nicht zum Wohlstand, sondern in den Abgrund", versicherte Petro. Deshalb müsse die Macht des Gemeinwohls auf globaler und nicht nur auf nationaler Ebene gestärkt werden. Das bedeute "eine Veränderung der Machtverhältnisse".

"Die Machtverhältnisse von heute bedeuten rohe Gewalt. Sie werden an der Zahl der Kampfflugzeuge und Bomben gemessen. Wenn wir als Menschheit wirklich überleben wollen, müssen die Stimmen zählen", führte Petro aus.

Er erinnerte daran, dass in den Vereinten Nationen für ein Ende der Kriege gestimmt wurde. "Warum halten sie sich nicht daran? Weil sie mehr Kampfflugzeuge haben? Mehr Kampfflugzeuge sind Barbarei. Mehr Stimmen sind Demokratie, Zivilisation und Menschlichkeit."

Auf die Frage des Leiters der Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, wie Kolumbien für den inneren Frieden gearbeitet habe, antwortete Petro: "Was sich bewährt hat, ist die soziale Gerechtigkeit, der Abbau der Ursachen für wirtschaftliche Ungleichheit". Tatsächlich sei es so, dass "in einer Welt, die vom Krieg spricht, Kolumbien vom Frieden redet".

Der seit 75 Jahren andauernde bewaffnete Konflikt in Kolumbien sei darauf zurückzuführen, dass das Land eines der ungleichsten der Welt sei, so Petro. "Wie wird die Befriedung erreicht: mit Gefängnissen, mit Bomben?" In Kolumbien seien in der Vergangenheit Kinder bombardiert worden.

Das Land lebe seit langem in einem politischen Spannungsfeld zwischen der "Bombe, die die Kinder zerreißt" und der Idee eines Paktes für soziale Gerechtigkeit. Letzteres habe heute zu einem deutlichen Rückgang der gewaltsamen Todesfälle geführt, auch wenn Kolumbien noch keinen vollständigen Frieden erreicht habe, fügte Petro hinzu.

Die Einladung des MSC an Petro sei kein Zufall, sagte die kolumbianische Botschafterin in Deutschland, Yadir Salazar. Sie sei erfolgt, weil Präsident Petro in den Ländern des Nordens als führende Stimme des Südens wahrgenommen werde. Kolumbien sei zu einem Sprachrohr des Südens geworden, betonte auch Kolumbiens Botschafter in den USA und amtierende Außenminister, Luis Gilberto Murillo.

Während in Europa über Kriege gesprochen werde, sei Präsident Petro hierher gekommen, um einen Frieden vorzuschlagen, der auf menschlicher Sicherheit und einer Energiewende beruhe, so der kolumbianische Botschafter in Brüssel, Jorge Rojas.

Am Rande der MSC traf Petro mit Bundeskanzler Olaf Scholz und dem Hohen Vertreter der Europäischen Union (EU) für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, zusammen. Sie erörterten Unterstützungsmöglichkeiten, um die illegale Wirtschaft in Kolumbien durch legale Wirtschaftsformen mit Wohlstandspotenzial zu ersetzen, berichtete der Präsident.

"Diese Länder könnten uns helfen. Es gibt nur eines zu tun: die Produktion der ländlichen Gebiete, der Kleinbauern, der Menschen in diesen Regionen für ein paar Jahre aufzukaufen."

Petro und Borrell sprachen auch über das Gipfeltreffen der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) und der EU, das 2025 in Kolumbien stattfinden wird. Kolumbien wird den Vorsitz der Celac übernehmen. Die Agenda soll sich um die Überwindung der Klimakrise und der Kriege drehen, so Petro.