Gegen "sanften Putsch": Demonstrationen in Kolumbien unterstützen Regierung Petro

Landesweite Proteste. Präsident prangert institutionellen Bruch an. Auch OAS besorgt. Mögliche Korruption in der Leitung der Generalstaatsanwaltschaft

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Demonstration vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft
Demonstration vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft

Bogotá. Zehntausende Menschen haben landesweit in Kolumbien ihre Unterstützung für die Regierung von Gustavo Petro bekräftigt. Sie wiesen den vom Präsidenten angeprangerten "institutionellen Bruch" zurück, den die Führung von Staatsorganen wie der Generalstaatsanwaltschaft (FGN) unter der Leitung von Francisco Barbosa derzeit betreibe. Barbosa gilt als politischer Widersacher der Regierung.

Für Empörung in linken Kreisen sorgte zuletzt die Durchsuchung des Sitzes der Lehrkräftegewerkschaft Fecode durch die FGN. Die Justizbehörde ermittelt offenbar wegen mutmaßlicher illegaler Finanzierung von Petros Präsidentschaftswahlkampf 2022. Petro selbst und Organisationen der Gewerkschaftsbewegung interpretierten dies als Versuch, ein Strafverfahren gegen den Regierungschef einzuleiten, um ihn abzusetzen.

Hintergrund ist eine Spende von Fecode an Petros Partei Colombia Humana im Jahr 2022. Laut Fecode entsprach diese "allen verfassungsrechtlichen Anforderungen". Sie betonte, die Spende sei für die Partei und nicht für den Wahlkampf bestimmt gewesen. In Kolumbien sind Spenden juristischer Personen an Wahlkampagnen verboten.

Zu den Demonstrationen am 8. Februar hatte vor allem die Lehrergewerkschaft Fecode aufgerufen. Die Regierung berichtete von 71 erfolgreichen und friedlichen Demonstrationen und Kundgebungen. Auch andere Organisationen der sozialen Bewegungen gingen auf die Straße. Darunter der Gewerkschaftsdachverband CUT, der Katholische Gewerkschaftsbund CGT, die Gewerkschaft der Erdölarbeiter USO, aber auch auf dem Land Verbände von Kleinbäuer:innen und Indigenen sowie Basisdachorganisationen wie der Kongress der Völker (Congreso de los Pueblos).

"Der Generalstaatsanwalt will den Präsidenten dieses Landes stürzen", sagt Sebastián Linero, Aktivist des Kongresses der Völker. Diese protestierenden Organisationen sehen im Verhalten der FGN-Führung eine Bedrohung für den Wandel, den die Regierung anstrebt und für den sie gewählt wurde. Sie sehen es als ihre "Pflicht" an, auf die Straße zu gehen, um diesen Wandel zu verteidigen, so Linero.

Der Kongress der Völker und die Nationale Agrarkoordination (CNA) prangerten ebenfalls das Fortbestehen des Paramilitarismus an. Nicht nur jetzt wegen Barbosa lehnen sie die FGN ab: Es sei eine "historische" Konstante, dass sie gegen soziale Bewegungen agiere und den Paramilitarismus fördere.

Im Frühjahr 2023 enthüllte das Nachrichtenportal Nueva Prensa, dass FGN-Funktionäre 200 Morde der paramilitärischen Drogenstruktur Clan del Golfo gedeckt haben sollen. Barbosa und die stellvertretende Generalstaatsanwältin Marta Mancera wiederum sollen diese Funktionäre gedeckt haben. Zahlreiche kolumbianische Menschenrechtsorganisationen äußerten sich sehr besorgt über diese Informationen, deren aufgeworfene Fragen bis heute unbeantwortet bleiben.

Kritiker:innen werfen der Behörde zudem vor, sich im laufenden Prozess gegen den ultrarechten Ex-Präsidenten Álvaro Uribe (2002-2010) als dessen Verteidiger aufzuführen und keine seriösen Ermittlungen anzustellen. Auch im Fall der mutmaßlichen illegalen Wahlkampffinanzierung von Ex-Präsident Iván Duque im Jahr 2018 durch den 2019 ermordeten Drogenhändler Juan Hernández, auch bekannt als Ñeñe Hernández, wird Barbosa vorgeworfen, keine Ermittlungen eingeleitet zu haben.

Barbosas Amtszeit endet am heutigen Tag. Der Oberste Gerichtshof (CSJ) hat allerdings noch keine der drei Kandidatinnen ausgewählt, die Petro in seiner Funktion als Präsident für das Amt vorgeschlagen hat.

Laut Rodrigo Uprimmy, einem einflussreichen Juristen der politischen Mitte, der nicht gerade ein Anhänger Petros ist, ist dessen Dreiervorschlag "exzellent". Es handele sich um "drei unabhängige, ethisch einwandfreie Frauen, die Erfahrung in strafrechtlichen Ermittlungen haben und mit der Arbeitsweise der Staatsanwaltschaft vertraut sind". Er kritisierte, dass der CSJ vier Monate, nachdem der Präsident die drei Kandidatinnen zusammengestellt hat, immer noch keine ausgewählt hat.

Diese Kritik brachten auch die Demonstrant:innen vor und forderten den CSJ auf, Barbosas Nachfolgerin zu bestimmen. Sie wollten nicht, dass die umstrittene stellvertretende Generalstaatsanwältin Mancera, die laut journalistischen Enthüllungen Mitglieder der Drogenmafia in der Hafenstadt Buenaventura gedeckt haben soll, Chefin der Behörde wird.

Die 23 Richter:innen des CSJ haben sich aber wieder für keine der Kandidatinnen entschieden. Nächster Termin dafür ist der 22. Februar. Bis zu einer Entscheidung könnte es noch Monate dauern. So lange wird Mancera Generalstaatsanwältin sein. Die Ermittlungen gegen sie wegen möglicher Verbindungen zur Drogenmafia stellte die FGN ein.

Die sozialen Bewegungen werfen dem Gerichtshof vor, die Wahl der neuen Generalstaatsanwältin bewusst zu verzögern. Das sagte auch Eduardo Montealegre, der von 2013 bis 2016 selbst Generalstaatsanwalt war. Der CSJ agiere als Verbündeter "dunkler Kräfte", die einen "sanften Putsch" in Kolumbien anstrebten.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat sich ebenfalls eingeschaltet. OAS-Chef Luis Almagro forderte den Gerichtshof am 8. Februar auf, eine neue Generalstaatsanwältin zu ernennen, "um dem Land verfassungsmäßige und politische Sicherheit zu geben". In einem Kommuniqué verurteilte er "die Drohungen, das verfassungsmäßige Mandat von Präsident Petro zu unterbrechen, und weist sie zurück".

Auch 19 Mitglieder der Puebla-Gruppe äußerten sich besorgt über einen "Lawfare" in Kolumbien gegen die Regierung, der "die Demokratie im Land untergräbt". Dem Zusammenschluss gehören progressive Persönlichkeiten aus ganz Lateinamerika an.

Petro seinerseits sieht in der Durchsuchung von Fecode und dem Verhalten der FGN-Führung die "Verzweiflung von Drogenhändlern, Verbrechern gegen die Menschheit, korrupten Politikern und korrupten Teilen der Staatsanwaltschaft", die den Präsidenten "aus dem Amt jagen" wollen.