Ecuador / Politik

Die schwelende Bruchlinie in den höchsten Ämtern der Regierung von Ecuador

Präsident Daniel Noboa agiert in Hinsicht auf weitere Kandidatur gegen eigene Vizepräsidentin. Revolución Ciudadana schaltet sich ein

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Zu den letzten Wahlen in Ecuador als Duo angetreten: Veronica Abad und Daniel Noboa
Zu den letzten Wahlen in Ecuador als Duo angetreten: Veronica Abad und Daniel Noboa

Quito. 'Eisig' wäre noch eine Untertreibung, um die Beziehung zwischen Präsident Daniel Noboa und seiner nominellen Nummer Zwei, Verónica Abad, zu beschreiben. Noch vor der Wahl im Oktober letzten Jahres soll es zwischen den beiden zum Bruch gekommen sein. "Ich habe nie mit ihm als Präsident gesprochen", so Abad. Stattdessen schob Noboa die Vizepräsidentin am Tag nach seiner Amtseinführung auf einen Posten als Botschafterin nach Tel Aviv ab.

Dies ist möglich, da in Ecuador der oder die Vizepräsident:in die politische Funktion zu übernehmen hat, welche das Staatsoberhaupt zuweist. Entlassen kann Noboa Abad hingegen nicht so einfach, da die Wähler:innen für beide im Tandem gestimmt hatten.

Die Ursachen für das Zerwürfnis sind nicht vollends geklärt. Abad hat während des Wahlkampfes eine Reihe von Videos veröffentlicht, in welchen sie umstrittene Aussagen zur Gleichstellung der Geschlechter tätigte und Gewalt gegen Frauen verharmlost haben soll. Noboa soll dies als Torpedierung seines Wahlkampfes empfunden haben.

Da die Wahl im Herbst 2023 nicht zum regulären Turnus stattfand, sondern der Urnengang von Noboas Vorgänger, Guillermo Lasso, vorgezogen worden war, stehen bereits im Frühjahr 2025 die nächsten Präsidentschaftswahlen an. Vor diesem Hintergrund verschärft sich der Konflikt zwischen Noboa und Abad wieder. Noboa will sich bei der kommenden Wahl im Amt bestätigen lassen. Wenn er antritt, muss er jedoch für den Zeitraum des offiziellen Wahlkampfes, vom 5. Januar bis zum 6. Februar, unbezahlten Urlaub nehmen. So will es die ecuadorianische Verfassung. Für diesen Zeitraum würde dann die amtierende Vizepräsidentin die Amtsgeschäfte übernehmen. Dies will Noboa verhindern.

Mehrere Regierungsbeamte haben bereits angedeutet, dass Abads Aufenthalt in Tel Aviv als territoriale Abwesenheit gewertet werden könnte, welche sie von der temporären Machtübernahme ausschließen würde. In diesem Fall könnte, so der stellvertretende Minister für Regierungsangelegenheiten Esteban Torres, das Amt einem der amtierenden Minister anvertraut werden. Gleichzeitig argumentiert das Präsidentenlager damit, dass die Regelungen der Verfassung gar nicht greifen würden, da Noboa eigentlich nur die Amtszeit seines Vorgängers vollenden würde.

Und dann ist da noch die Anklage gegen Abads Sohn, Francisco Barreiro. Ihm wird vorgeworfen, einer Person gegen Bezahlung einen Job im Vizepräsidialamt verschafft zu haben. Abads Anwalt zufolge soll dadurch Druck auf die Vizepräsidentin ausgeübt werden, da der Verdacht im Raum steht, dass sie von diesem Geschäft gewusst haben soll. Ein Verfahren gegen sie dürfte jedoch schwierig werden, denn zu einer Eröffnung bräuchte es zunächst die Zustimmung der Nationalversammlung. Dort verfügt Noboa aber über keine Mehrheit, seit er im April einen Überfall auf die mexikanische Botschaft in Quito angeordnet hat, um des früheren ecuadorianischen Vizepräsidenten Jorge Glas habhaft zu werden, der sich dorthin geflüchtet hatte (amerika21 berichtete).

Zusätzliche Brisanz in dem Konflikt hat, dass Abad bei einer Amtsübernahme die Möglichkeit hätte, Ecuadors einflussreichen Ex-Präsidenten Rafael Correa zu begnadigen. Dieser befindet sich seit 2017 im Exil in Belgien und wurde aufgrund des Vorwurfs der Bestechlichkeit in Abwesenheit zu acht Jahren Haft verurteilt. In einem Interview mit dem Nachrichtenportal Infobae hat Abad die Möglichkeit einer Begnadigung nicht explizit ausgeschlossen und betonte, dass dies für ihn keine politische Frage, sondern eine des Rechts sei.

Noboas Lager reagierte harsch bei dieser Aussicht. Torres nannte es eine Katastrophe für das Land, "wenn eine Person an die Macht käme, die nicht mit der Vision und der Reaktion des Präsidenten übereinstimmt, denn das erste, was sie am ersten Tag tun würde, wäre, alle Erfolge der Regierung rückgängig zu machen, insbesondere im Kampf gegen Straflosigkeit und Unsicherheit". Law and Order hat Noboas Regierung quasi zu ihrem Motto erhoben und damit auch die Causa Jorge Glas gerechtfertigt.

Die Spannungen zwischen dem Präsidenten und seiner Stellvertreterin scheinen eine Möglichkeit für eine ungewöhnliche Allianz zu bieten. Vor wenigen Tagen forderte Paola Cabeza, eine Parlamentsabgeordnete der Partei Revolución Ciudadana, welche Correa nahesteht, dass Noboa bei einer Kandidatur die Gesetze respektieren und die Amtsgeschäfte an Abad übergeben solle. Auf X (früher Twitter) kommentierte das die Fraktionssvorsitzende der Regierungspartei Acción Democrática Nacional, Valentina Centeno, mit den Worten: "Mit dem Antrag der Abgeordneten Paola Cabezas, Verónica Abad als Präsidentin einzusetzen, ist klar, wer den Correísmo unterstützt".

Doch die mögliche Allianz wird von Seiten der Revolución Ciudadana dementiert. Nach ihrer Darstellung geht es der Partei ausschließlich um den Schutz des Rechtsstaats. Auch Abad weist dies zurück: "Bündnisse und Pakte gibt es nicht […] Es geht darum, Respekt durchzusetzen, und zwar durch die Institution, die ganz offensichtlich dazu berufen ist, einen Machtmissbrauch angesichts einer Diktatur, eines Totalitarismus in einem Land anzuprangern, und das ist zweifellos die Nationalversammlung".