Caracas/Madrid. Der Streit um den Ausgang der Präsidentschaftswahlen vom 28. Juli in Venezuela nimmt eine neue Wendung. Der Parlamentsvorsitzende Jorge Rodríguez präsentierte am Mittwoch ein Schreiben des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Edmundo González, in dem dieser den vom Obersten Gericht festgestellten Wahlsieg von Präsident Nicolás Maduro anerkennt. Wenig später meldete sich González aus dem spanischen Exil zu Wort. Er bestritt nicht die Echtheit des Briefs, betonte jedoch, dieser sei unter Druck zustande gekommen.
Die Schlüsselpassage des an Rodríguez gerichteten Briefes bezieht sich auf die Entscheidung der Wahlkammer des Obersten Gerichts (TSJ) vom 22. August, die Nicolás Maduro zum Gewinner der Wahl erklärte. Darauf bezugnehmend schreibt González: "Ich war immer bereit und werde es auch weiterhin sein, die von den Justizbehörden im Rahmen der Verfassung getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und zu befolgen, einschließlich des oben erwähnten Urteils der Wahlkammer, dem ich zwar nicht zustimme, das ich aber als Beschluss des höchsten Gerichts der Republik anerkenne."
González unterzeichnete den Brief offenbar im Beisein von Jorge Rodríguez, Vizepräsidentin Delcy Rodríguez und des spanischen Botschafters in der diplomatischen Residenz Spaniens in Caracas, bevor er sich mit Zustimmung der venezolanischen Regierung ins Exil nach Madrid begab.
In einer Videobotschaft reagierte González auf die Veröffentlichung des eigentlich als vertraulich markierten Briefes. Darin bezichtigte er die Regierung Venezuelas, ein "dreckiges Spiel" zu spielen. Er habe den Brief unterzeichnen müssen, um im Gegenzug das Land verlassen zu können: "Ich musste entweder unterschreiben oder die Konsequenzen tragen." González sprach von "sehr angespannten Stunden unter Zwang, Erpressung und Druck". Er habe es bevorzugt, in Freiheit zu bleiben und ins Exil zu gehen, um aus dieser Position heraus seinen Wahlsieg zu verteidigen. "Ein unter Zwang entstandenes Dokument ist absolut ungültig", sagte González mit Blick auf den nun veröffentlichten Brief.
Jorge Rodríguez antwortete wiederum auf einer Pressekonferenz auf die Anschuldigungen. Er betonte, es hätten mehrere Gespräche und Treffen mit González stattgefunden, woraufhin dieser den Wunsch geäußert habe, das Land zu verlassen. Zu diesem Zeitpunkt bestand ein Haftbefehl gegen González, der für Ausschreitungen unmittelbar nach der Wahl mit mehreren Todesopfern verantwortlich gemacht wurde. Rodríguez forderte den Ex-Kandidaten auf, seine Vorwürfe betreffend ausgeübten Drucks und Erpressung innerhalb von 24 Stunden zurückzunehmen. Andernfalls würde er Tonaufnahmen von den Gesprächen veröffentlichen, um seine Version der Ereignisse zu belegen.
Nach der Präsidentschaftswahl vom 28. Juli hatte der Nationale Wahlrat (CNE) Präsident Maduro mit 52 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt. González erhielt demnach rund 43 Prozent. Die Opposition behauptet dagegen seit dem Wahltag, sie habe die Wahl mit 70 Prozent gewonnen. Eine exakte Überprüfung des Ergebnisses ist bisher nicht möglich, da der CNE bisher keine nach Bundesstaaten, Gemeinden und Wahllokalen aufgeschlüsselten Ergebnisse veröffentlicht hat.
Am Donnerstag hat das Europäische Parlament einem Antrag der Europäischen Volkspartei zugestimmt, nach der González als Präsident Venezuelas anerkannt wurde. 309 Abgeordnete stimmten dafür, 201 dagegen.