Guatemala-Stadt/Quetzaltenango. Mit vielfältigen Aktivitäten hat Guatemala die Revolution von 1944 gefeiert. In der Hauptstadt Guatemala-Stadt beteiligten sich Tausende Menschen am Sonntag an einem Marsch zum Platz der Verfassung, an dem auch Vizepräsidentin Karin Herrera teilnahm. Der Marsch war auch dem Gedenken an den Studentenführer Oliverio Castañeda de León gewidmet, der am 20. Oktober 1978, nach einem Marsch zum Gedenken an die Revolution, erschossen wurde.
Am Platz der Verfassung kündigte ein Gewerkschaftsaktivist die Rede des Staatspräsidenten Bernardo Arévalo an. Der Aktivist sagte, die "Arbeiterklasse und das Volk Guatemalas stehen hinter Ihnen Herr Präsident". Er schlug aber auch kritische Töne an. Der Mindestlohn für dieses Jahr sei festgelegt, er hoffe aber das Arévalo im nächsten Jahr diesbezüglich "die beste Entscheidung trifft". Der aktuelle Mindestlohn reicht nicht aus, um die notwendigen Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Der Aktivist ging auch auf fortgesetzte Morde ein: "Sieben Gewerkschafter sind von Juli bis heute in Guatemala ermordet worden, auch die Morde an Menschenrechtsverteidigern gehen weiter."
Arévalo sagte in seiner Rede: "Wir bauen weiterhin die Demokratie auf, wir haben Konterrevolutionen, politische Gewalt und interne bewaffnete Konflikte durchgemacht, aber wir erheben uns. Wir müssen zu den Verpflichtungen zurückkehren, die unsere Revolution von 1944 ganz klar zum Ausdruck brachte, nämlich zugunsten der Demokratie und um die Würde und das Wohlergehen für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten."
Der Präsident erinnerte in einer Mitteilung an die sozialen Errungenschaften, die nach der Revolution eingeführt wurden. Geschaffen wurde damals die staatliche Krankenversicherung IGSS (Instituto Guatemalteco de Seguridad Social), die allerdings aktuell nur rund 22 Prozent der Bevölkerung erreicht, die Autonomie der San-Carlos-Universität, das Arbeitsgesetz sowie gewerkschaftliche Organisationsfreiheit. Heute sind Gewerkschaften allerdings im privaten Sektor kaum noch präsent.
Am Vorabend wurde die Revolution bereits mit einem Konzert im Beisein von Arévalo und einem Feuerwerk über dem Präsidentenpalast gefeiert. Dieser war bereits Wochen zuvor mit großflächigen Transparenten im Gedenken an die Revolution geschmückt worden. Die Regierung von Bernardo Arévalo versteht sich in der Tradition der Revolution von 1944. In den nach dem bewaffneten Aufstand eingeleiteten ersten demokratischen Wahlen des Landes ging 1945 Juan José Arévalo, Vater des heutigen Präsidenten, als Sieger hervor und regierte das Land sechs Jahre.
In Quetzaltenango, Guatemalas zweitgrößter Stadt, beteiligten sich einige Hundert Menschen an dem traditionellen Demonstrationszug von der San-Carlos-Universität in die Innenstadt. Mehrere Redner wiesen darauf hin, dass der Prozess des "neuen Frühlings" vertieft werden müsse. Die Jahre nach der Revolution von 1944 werden auch als "Guatemaltekischer Frühling" bezeichnet.
Carlos Mejia von den Indigenen Bürgermeistern aus dem Landkreis Olintepeque erklärte gegenüber amerika 21, sie hätten seit Jahren an den Protesten teilgenommen. Gemeinsam mit den 48 Kantonen und den Indigenen Bürgermeistern aus Sololá haben auch indigene Autoritäten aus dem Departamento Quetzaltenango ihre Forderungen in einer Petition am 11. Januar Arévalo vorgelegt. "Zu 100 Prozent erfüllt Arévalo dies nicht" erklärte Mejia. Der Prozess müsse in jedem Fall fortgesetzt werden bis ein "plurinationaler Staat erreicht ist".
Ein Aktivist der San-Carlos-Universität erinnert im Gespräch mit amerika 21 an die Euphorie, die den Wahlantritt von Arévalo begleitet hatte. Dies dürfe nicht verloren gehen, allerdings "will Arévalo zu sehr den USA und dem Unternehmerverband CACIF dienen".
Für Osvaldo Saquich, Koordinator der Arbeiterunion Quetzaltenango (UTQ), sind Arévalo in vielem die "Hände gebunden" durch den geringen Haushalt und den weiterhin mächtigen Pakt der Korrupten, der auch die Mehrheit im Kongress stellt.
Ein weiterer Teilnehmer der Demonstration wird in seiner Kritik allerdings deutlicher. "Wochenlang" habe er im letzten Jahr zwischen Oktober und Januar zur Verteidigung des Wahlergebnisses und für den Amtsantritt von Arévalo auf der Straße gestanden, heute sei "der Frühling vergessener als alles andere", sagte er gegenüber amerika 21.
In Escuintla an der Südküste Guatemala wandten sich Demonstranten vor allem gegen die geplante Privatisierung der Küstenautobahn und demonstrierten in Solidarität mit Palästina.
In La Esperanza im Departamento Alta Verapaz wurde mit einem Theaterstück und einem Demonstrationszug an den 20. Oktober erinnert.