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Brasiliens Präsident: "Joe Biden war der Meinung, Russland müsse vernichtet werden"

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Sprachen ausführlich über den Ukraine-Krieg: Lula bei einem Telefongespräch mit Biden (Juli 2024)
Sprachen ausführlich über den Ukraine-Krieg: Lula bei einem Telefongespräch mit Biden (Juli 2024)

Brasília. In einem Interview mit der französischen Tageszeitung Le Monde hat Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sich erneut für Verhandlungen im Konflikt zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine stark gemacht. Er übte zudem scharfe Kritik an den USA und der Europäischen Union.

Des Weiteren verurteilte er das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen.

Da Silva hielt sich vergangene Woche zu einem Staatsbesuch in Frankreich auf. Im Vorfeld sprach der Le Monde-Korrespondent für Brasilien, Bruno Meyerfeld, mit ihm.

Lula hatte am 9. Mai an den Gedenkfeiern zum Tag des Sieges in Moskau teilgenommen. Auf Nachfrage, ob er kein Problem darin sehe, Wladimir Putin zu treffen, gegen den ein internationaler Haftbefehl vorliege, sagte der Präsident: "Ich bin nach Moskau gereist, um dem 80. Jahrestag des Sieges über den Nationalsozialismus zu gedenken, aus Respekt vor einem Land, das in diesem Konflikt 26 Millionen Menschen verloren hat." Zudem unterhalte Brasilien enge Handelsbeziehungen zu Russland.

"Ich fühle mich in dieser Angelegenheit sehr wohl", ergänzte er. "Brasilien hat die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine durch Russland von Anfang an verurteilt".

Lula hatte bereits in seiner Zeit als Präsidentschaftskandidat auch scharfe Kritik an der EU, den USA und dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, geübt und ihnen eine Mitverantwortung am Krieg vorgeworfen. Die USA und die EU hätten der russischen Regierung zusichern müssen, dass die Ukraine nicht der Nato beitreten werde, "das hätte das Problem gelöst", sagte er dem US-Wochenmagazin Time im Mai 2022.

Selenskyj warf er damals vor, er habe "den Krieg gewollt", sonst hätte er "mehr verhandelt" und vorgeschlagen, "über die Nato- und EU-Mitgliedschaft weiter zu diskutieren".

Meyerfeld fragte ihn, ob er nun "die harten Worte" bedauere, die er über Selenskyj gesagt habe. Lula verneinte dies: "Ich habe gesagt, was zur rechten Zeit gesagt werden musste. Ich denke, dieser Krieg hätte nie stattfinden dürfen."

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Weiter berichtete er von "ausführlichen Gesprächen" mit dem ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden (2021 – 2025). Dieser habe die Auffassung vertreten, "Russland müsse vernichtet werden."

Europa, das lange Zeit "einen Mittelweg in der Welt verkörperte", habe sich mit Washington verbündet und gebe Milliarden für die Aufrüstung aus. Das beunruhige ihn. "Wenn wir nur über Krieg reden, wird es niemals Frieden geben."

Brasilien sei bereit, Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zu unterstützen und habe gemeinsam mit China und elf anderen Ländern des Globalen Südens schon 2023 einen Friedensplan vorgelegt. "Genug der Bomben, genug der Toten, genug der Zerstörung", bekräftigte er.

Zum Thema Gaza-Krieg, den Lula stets scharf kritisiert hat, wollte Meyerfeld wissen, was die internationale Gemeinschaft konkret tun könne, um ihn zu beenden.

Man müsse zunächst "die Realität anerkennen: Was wir in Gaza erleben, ist kein Zusammenstoß zwischen zwei Armeen, sondern ein Massaker an Zivilisten durch eine hoch entwickelte Militärmacht. Für mich ist dies ein Völkermord. Jeder israelische Angriff, der sich angeblich gegen die Hamas richtet, hinterlässt nur zivile Opfer – Frauen und Kinder. Dies ist eine Schande für die Menschheit und alle Regierungen. Das muss ein Ende haben", antwortete Lula.

Klare Entscheidungen seien notwendig. Die Vereinten Nationen müssten ihre Rolle als Vermittler zurückgewinnen, denn heute würden ihre Entscheidungen ignoriert und die Organisation sei gelähmt.

"Wir brauchen heute mehr denn je eine globale Governance", so da Silva. Seit dem Zweiten Weltkrieg habe es noch nie so viele Konflikte zwischen Staaten gegeben. Die weltweiten Militärausgaben seien sprunghaft angestiegen und hätten im Jahr 2024 2,7 Billionen US-Dollar erreicht.

"Das ist erschütternd und sehr schwerwiegend, vor allem wenn so viel Geld für die Bekämpfung der Armut und den Umweltschutz fehlt", betonte Brasiliens Präsident.