La Paz. Am kommenden Sonntag finden zum ersten Mal in der Geschichte Boliviens Stichwahlen um die Präsidentschaft statt. Antreten werden Rodrigo Paz Pereira von der Demokratisch-Christlichen Partei (PDC) und der ultrakonservative Jorge Fernando Tuto Quiroga von der Alianza Libre. Letzten Umfragen zufolge liegt Quiroga vor seinem Kontrahenten.
Vor zwei Monaten war der Mitte-Rechts-Politiker Paz Pereira überraschend als Wahlsieger aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen hervorgegangen. Die amtierende Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) erlitt eine schwere Wahlniederlage und schaffte nur knapp die notwendige Drei-Prozent-Hürde, um als Partei weiter registriert bleiben zu können (amerika21 berichtete).
Am vergangenen Sonntag stellte der TV-Kanal Unitel eine Studie des Unternehmens Ipsos Ciesmori vor, in der Quiroga auf 44,9 Prozent und Paz Pereira auf 36,5 Prozent kam. Nur 58 Prozent hätten sich jedoch bisher entschieden, wen sie wählen werden. Ein paar Tage zuvor hatte der zweitgrößte Privatsender RedUno eine Wahlumfrage veröffentlicht, die zu ähnlichen Ergebnissen kam. Das bedeutet, dass eine beträchtliche Zahl der Wähler:innen immer noch unentschieden ist. Noch vor zwei Monaten sahen alle Umfragen Paz Pereira in der ersten Runde auf dem dritten Platz. Daher die Überraschung am Wahlabend des 17. August. In Bolivien herrscht Wahlpflicht.
Beim einzigen TV-Duell der beiden Kontrahenten am vergangenen Sonntag stand die Wirtschaftskrise im Mittelpunkt. Das Bankensystem leidet an einem gravierenden Mangel an US-Dollar und bereitet den Importeuren Probleme. Auch die Kraftstoffknappheit hält an und sorgt in den letzten Tagen für lange Schlangen an den Tankstellen. Die jährliche Inflationsrate liegt bei über 23 Prozent, eine der höchsten der letzten 17 Jahre.
Quiroga setztauf Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF), um US-Dollar ins Land zu holen und die Inflation zu bremsen. Paz Pereira hingegen gibt sichüberzeugt, dass in Bolivien genug Geld zur Ankurbelung der Wirtschaft vorhanden sei, sodass keine Kredite aus dem Ausland nötig seien. Er wolle zuerst das "eigene Haus in Ordnung bringen", sprich defizitäre Staatsbetriebe schließen, Kredite an Unternehmen vergeben und Einfuhrbeschränkungen sowie Zölle auf Importprodukte aufheben.
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Überwiegend einig sind sich beide Kandidaten bei Themen der Justizreform, Bergbau, Kohlenwasserstoffe, Lithiumabbau und Stärkung der regionalen Autonomie. Beide wollen den bolivianischen Staat stärker dezentralisieren, also den Departamentos mehr Haushaltsautonomie und mehr politische Entscheidungsrechte in Bereichen wie Bildung und Gesundheit übertragen.
Beide setzen sich für eine Marktöffnung zugunsten der Privatunternehmen ein. Quiroga gilt jedoch als unumwundener Freihandelsverfechter. Er werde sich "sehr aggressiv für den Abschluss von Freihandelsabkommen und bilateralen Investitionsschutzabkommen einsetzen", versprach er bereits vor Wochen.
Auch außenpolitisch strebt er einen radikalen Wandel an. Er will die diplomatischen Beziehungen zu den "totalitären Höhlenbewohner-Tyranneien" Venezuela, Kuba und Nicaragua sowie dem Iran abbrechen. Er räumte ein, dass er den Verbleib Boliviens in der BRICS-Gruppe prüfen werde, wobei er die Handelsbeziehungen zu Indien und China hervorhob. Dem Mercosur steht er skeptisch gegenüber und bevorzugt vielmehr ein "südamerikanisches Dreieck" für die Lithiumgewinnung zusammen mit Argentinien und Chile.
Positive Rückmeldung kam nach der TV-Debatte aus den USA, nachdem sich beide Kandidat:innen für eine Stärkung der bilateralen Beziehungen zu Washington ausgesprochen hatten. Marco Rubio, US-amerikanischer Staatssekretär, nannte Bolivien als einen der zehn Verbündeten in der Region und sieht das Andenland als Teil einer neuen Strategie zur Stärkung von Allianzen auf dem amerikanischen Kontinent.
Sowohl Quiroga als auch Paz Pereira versicherten, die Wahlergebnisse am kommenden Sonntag anzuerkennen. Sie wissen, dass sie im Parlament aufeinander angewiesen sind. Die PDC stellt 16 der 36 Sitze im Senat und hätte in einer Koalition mit Alianza Libre, die zwölf Sitze innehat, die absolute Mehrheit. Auch im Abgeordnetenhaus stellen beide Parteien 88 der insgesamt 130 Sitze.

