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Neuer Pragmatismus zwischen den USA und Kuba

Eine kritischer Ausblick auf die begonnenen Verhandlungen in Havanna

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Die USA und Kuba rücken näher – aber mit welchen Ziel?
Die USA und Kuba rücken näher – aber mit welchen Ziel?

Nachdem US-Präsident Barack Obama das Scheitern der US-amerikanischen Kuba-Politik anerkannt hat, haben er und seine Amtsnachfolger nun die Möglichkeit, neue politische Strategien im Verhältnis zum sozialistischen Inselstaat zu verfolgen. Diese werden dem Ziel nach vielleicht nicht viel anders aussehen. Sie würden sich aber, zumindest was die Methoden angeht, ändern müssen. Ein erster, vorrangiger Schritt ist die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen.

In dieser neuen Etappe muss bereits die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern und die Abkehr von der aggressiven Haltung, die für die US-Politik gegen Kuba bislang charakteristisch war, als Normalisierung gewertet werden – was nicht gleichbedeutend mit einem Wegfall ideologischer Konflikte und Differenzen ist. Ziel bleibt es, die Probleme im Dialog und auf Basis der Verhandlungsbereitschaft, des gegenseitigen Respekts der Souveränität und der Prinzipien beider Länder zu analysieren. Aggressive Maßnahmen jeglicher Art sollten vermieden werden.

Die Differenzen zwischen beiden Ländern sollen nun also, soweit es die gesetzten Grenzen erlauben, allmählich am Verhandlungstisch reduziert werden. Zwangsweise, muss man dazu sagen, denn die Beibehaltung des Status quo oder gar neue Differenzen würden das Vorhaben zum Scheitern bringen. Diese Situation war schon einmal während der Regierung von US-Präsident James Carter (1977-1981) eingetreten.

Die Verhandlungsphasen

Am Anfang werden zunächst Themen von beiderseitigem Nutzen erörtert, ohne ideologische Fragen zu berühren. Ziel ist, das Vertrauen zwischen beiden Seiten allmählich aufzubauen und punktuelle Vereinbarungen zu erreichen, die auf beiden Seiten ein Gefühl der Sicherheit schaffen. Damit würden auch diejenigen Kräfte isoliert, die den Prozess zu boykottieren versuchen.

Auf dem Gebiet der Sicherheit gibt es Themen, bei denen es eine schnelle Übereinkunft geben kann. Dazu gehört die Zusammenarbeit gegen Bedrohungen der Umwelt wie eine weitere mögliche Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko. Auch der Kampf gegen den Drogenhandel zählt dazu, da Kuba aufgrund seiner geografischen Lage Teil der "natürlichen Route" auf dem Weg zum größten Konsumentenmarkt liegt – den USA.

Zu Beginn der Verhandlungen wird es auch um Themen gehen, die den persönlichen Beziehungen zwischen beiden Völkern dienen: die Erweiterung des akademischen und kulturellen Austausches, die Überweisung von Geldern auf die Insel, touristische Reisen von US-Bürgern oder die Verwendung von Geldkarten US-amerikanischer Banken in Kuba. All dies wird derzeit noch vom US-Finanzministerium verboten.

Die komplexesten Verhandlungsthemen werden sich im Zusammenhang mit den Angelegenheiten ergeben, die mit dem ökonomischen und politischen System Kubas zu tun haben. Im ersten Fall werden die Vereinigten Staaten Freiheit für Importe und Exporte, investitionsfreundliche Gesetze, Beschäftigungsarten und Entlohnungsregeln verlangen. Im zweiten Fall werden sich die Forderungen auf die individuellen Freiheiten, ein Mehrparteiensystem und die Verteidigung der Menschenrechte sowie die freie Bildung von Gewerkschaften im Bereich der Arbeiterorganisationen konzentrieren.

Diese Phase der Verhandlungen wird die komplexeste des gesamten Prozesses sein, weil die USA beanspruchen werden, ihr politisches System zum Modell von Demokratie zu machen und das kubanische politische System ihrem eigenen anzugleichen. Ein Instrument dazu ist die "Demokratische Interamerikanische Charta" der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS).

Die Direktorin der Nordamerika-Abteilung des kubanischen Außenministeriums, Josefina Vidal, hatte daher bereits vor Beginn der Verhandlungen angekündigt, dass ihr Land dazu bereit sei, über alle Themen einschließlich der Regierungsform zu sprechen. Dies müsse allerdings unter gleichberechtigten Bedingungen geschehen. Deshalb werde die kubanische Delegation unter ihrer Leitung ihrerseits Themen wie die von der US-Armee praktizierten Folterungen und die Geheimgefängnisse behandeln, wie auch die jüngsten Fälle von Rassismus und polizeilichen Übergriffen in US-Städten.

Der Pragmatismus der "Smart Power" von Obama

Die Rede von Präsident Barack Obama am 17. Dezember machte bereits deutlich, dass die bisherige Zielsetzung trotz der neuen Methodik aufrechterhalten bleibt: Das politische Regime der Insel soll verändert werden. Die "Smart Power", also die „kluge Einflussnahme“, soll Kuba zur Aufgabe des Sozialismus bewegen. Doch dabei wird die innere politische Dynamik in Kuba entscheidend sein. Anders gesagt: die Kräftekonstellationen, die durch die ökonomischen Veränderungen entstehen. Kubas Präsident Raúl Castro hat für 2016 bereits einen weiteren Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas angekündigt, in dem er die Wirtschaftspolitik als Hauptdiskussionsthema vorgegeben hat. Dieses Thema kann jedoch nicht vom Gesellschaftsmodell getrennt behandelt werden.

Obama wird seinerseits mit Widerstand von Kongressmitgliedern wie Marco Rubio, den Gebrüdern Díaz Balart oder Ileana Ross-Lehtinen rechnen müssen. Diese antikubanischen Hardliner haben bereits ihre Ablehnung der neuen Regierungslinie gegenüber Kuba erklärt. In dem Maße, wie die Verhandlungen voranschreiten und Vereinbarungen umgesetzt werden, wird diese Opposition gegen eine Annäherung in den USA geschwächt werden. Allerdings werden ihre Vertreter alle Möglichkeiten im Kongress nutzen, um die Maßnahmen des Präsidenten zu stoppen. Ein Beispiel: Der von Obama zu benennende neue US-Botschafter in Havanna muss von den Kongressmitgliedern bestätigt werden.

Die wichtigste Forderung Kubas besteht in der Aufhebung der Handels- und Finanzblockade. Auch diese Entscheidung obliegt dem Kongress, der eine seit 1930 mit Abstand größte republikanische Mehrheit gegenüber den demokratischen Repräsentanten aufweist. Daher ist das Ende der Blockade erst realistisch, wenn man bei anderen Themen vorangekommen ist. Eine solche Entscheidung wird auch vom "Kooperationswillen" Kubas bei anderen Verhandlungspunkten abhängig gemacht werden. Die Regierung in Havanna kann zu ihren Gunsten mit dem Druck US-amerikanischer Wirtschaftslobbyisten wie den Vertretern der Landwirtschaft rechnen. Diese Akteure sehen, wie sie gegenwärtig gegenüber anderen, geografisch weit entfernten Ländern wie China oder der Europäischen Union einen "natürlichen Markt" verlieren.

Angesichts der öffentlichen Meinung wird im politischen Diskurs der USA von der Verteidigung unverzichtbarer ideologischer Prinzipien die Rede sein. Am Ende aber wird bei den Verhandlungen dem Pragmatismus Vorrang gegeben werden, wie dies Obama bereits mit dem Schritt der Änderung gegenüber Kuba demonstriert hat. Diese Entscheidung hat gezeigt, dass der Kuba-Konflikt – im Unterschied zu den Krisen im Nahen Osten – die besten Bedingungen für signifikante und schnelle Erfolge bietet.

Zugleich würde eine Lösung des Konflikts mit Kuba auch die US-Außenpolitik auf dem amerikanischen Kontinent erleichtern. Dort waren die USA wegen ihres Verhaltens gegenüber dem Inselstaat immer mehr in die Kritik geraten. Dabei kam Widerspruch sogar vermehrt von Verbündeten in der Region wie Kolumbien, Mexiko oder Chile. Es ist also vorauszusehen, dass sich das neue Klima zwischen Washington und Havanna bereits beim nächsten Amerika-Gipfel zeigen wird, der im April in Panama stattfindet und für den Raúl Castro bereits seine Teilnahme zugesagt hat.

Die bisherigen US-Regierungen haben versucht, mit ihrer Politik das politische Modell Kubas zu verändern und sind damit gescheitert. Die Kuba-Politik der USA hat Washington international isoliert und wird von der eigenen Gesellschaft nicht mehr geteilt. Auch dadurch eröffnen sich nun neue Szenarien in den Beziehungen zwischen beiden Ländern.