Eine wenig bekannte Geschichte: Gilberto Bosques in Kuba

Als mexikanischer Generalkonsul in Frankreich verhalf er Zehntausenden zur Flucht vor dem Faschismus. Als Botschafter in Kuba erteilte er Verfolgten der Batista-Diktatur Visa

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Feier anlässlich des Jahrestages Mexikos in Havanna am 16. September 1964. Von links nach rechts: Raúl Castro, Botschafter Bosques, Ernesto Che Guevara (mit dem Rücken), Fidel Castro
Feier anlässlich des Jahrestages Mexikos in Havanna am 16. September 1964. Von links nach rechts: Raúl Castro, Botschafter Bosques, Ernesto Che Guevara (mit dem Rücken), Fidel Castro

Der Generalkonsul Mexikos in Frankreich, Gilberto Bosques, (1892-1995) und seine Mitarbeiter im Konsulat in Marseille haben von 1938 bis 1942 über 45.000 Flüchtlingen, Antifaschisten, Juden, Interbrigadisten aus Spanien, Anhängern der Spanischen Republik, Hunderten Österreichern, Deutschen und vielen Berlinern mit der Visa-Erteilung Schutz und Asyl in Mexiko gewährt. Darunter waren auch bekannte Schriftsteller, Politiker oder Künstler wie Anna Seghers, Ludwig Renn, Bodo Uhse, Steffie Spira, Hanns Eisler, Franz Feuchtwanger, Leo Zuckermann, Gustav Regler, Paul Merker, Charlotte und Walter Janka, Jeanne und Kurt Stern, Paul Westheim, Franz Werfel, Alfred Döblin und viele andere mehr.

Für alle war es ein "Visa al paraiso", ein Visum für das Paradies. Das Parlament Mexikos und Präsident Lázaro Cárdenas, wie auch sein Nachfolger Manuel Ávila Camacho verkörperten mit ihrer gegen den Faschismus in Italien, Spanien und Deutschland gerichteten Politik das freie, hochherzige Mexiko dieser Zeit. Mit dem "Bund Freies Deutschland" entwickelte sich in Mexiko-Stadt neben Moskau das wichtigste politische Zentrum der antifaschistischen Bewegung im deutschsprachigen Raum1.

Gilberto Bosques und alle Mitarbeiter des Konsulats wurden mit dem Kriegseintritt Mexikos auf Seite der Alliierten im Mai 1942 von der Gestapo verschleppt und bis Februar 1944 in Bad Godesberg interniert. Nach einem Austausch gegen Gefangene der Alliierten kehrte Bosques in seine Heimat zurück und rettete als Botschafter Mexikos in Portugal (1944-46) weitere Spanier und andere Verfolgte.

Eine weitere Etappe im Leben von Bosques ist ebenfalls von großem Interesse: Auf eigenen Wunsch war er von 1953 bis 1964 Botschafter Mexikos in Kuba. Er kehrte in das Land zurück, in das er 1923 in letzter Minute vor den Erschießungskommandos des damaligen Präsidenten Plutarco Elias Calles geflohen war. Jetzt erlebte er den revolutionären Übergang von der Batista-Diktatur zum freien Kuba.

Aus heutiger Sicht hat Bosques einen bedeutenden Anteil daran. Wieder unterstützte er Unterdrückte und rettete Flüchtlinge. Die Botschaft Mexikos erteilte hundertfach Visa für Verfolgte der Batista-Diktatur. Wenn die vielfach Gefolterten die Tür der mexikanischen Botschaft erreichten, bekamen sie medizinische Hilfe, Tickets für die Reise und Visa. So auch spätere Führungspersönlichkeiten der kubanischen Revolution2.

Fidel Castro erhielt nach dem gescheiterten Sturm auf die Moncada-Kaserne am 26. Juli 1953 eine langjährige Freiheitsstrafe. Nach der Amnestie im Mai 1955 konnte er die Gefängnisinsel Los Pinos verlassen. Er und sein Bruder Raúl erhielten in der Botschaft Mexikos Visa mit der Unterschrift von Gilberto Bosques.

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Von Mexiko aus startete am 25. November 1955 die Jacht "Granma" Richtung Kuba. Nach dem Sieg der kubanischen Revolution verband eine tiefe Freundschaft die Commandantes mit dem Botschafter Mexikos3.

1964 nach Mexiko zurückgekehrt, trat er aus dem diplomatischen Dienst aus und brach mit der Regierungspolitik von Präsident Gustavo Díaz Ordaz. Das hundertfache Massaker in Tlatelolco in Mexiko-Stadt am 2. Oktober 19684 bewertete er als Drama, als Akt unbeschreibbarer Barbarei.

Das humanistische Wirken von Gilberto Bosques wurde spät, aber dann in mehreren Ländern geehrt. Fünf Jahre nach seinem Tod, im Jahr 2000, erhielt das Parlament des Bundesstaates Puebla seinen Namen. Am 14. Dezember 2011 beschloss der Nationale Senat Mexikos, ein "Zentrum für Internationale Studien Gilberto Bosques" zu schaffen, und viele Schulen ehren mit seinem Namen sein Andenken. Seit Juli 2015 steht auf dem Juárez-Platz in Mexiko-Stadt eine Büste von Bosques, die vom Außenminister Jose Antonio Meade enthüllt wurde. Dieses Denkmal ist ein Geschenk des Interkulturellen Instituts Mexiko-Israel. Die Regierung Österreichs benannte in Wien am 4. Juli 2003 eine Straße in der Nähe des UNO-Zentrums in "Gilberto-Bosques-Promenade". Vom Memorial für die Helden und Märtyrer des Holocausts in Israel wurde er als "Gerechter unter den Nationen" anerkannt.

Deutschland und Berlin haben eine widersprüchliche Geschichte im Umgang mit dem Exil und seinen politischen Ursachen. Vom Flugplatz Berlin-Gatow startete ein Teil der Legion Condor zu seinem todbringenden Einsatz in Spanien. Die von den Deutschen am 6. April 1937 vernichtete baskische Stadt Guernica steht für immer als Übung für die Massenbombardements des Zweiten Weltkrieges. Die Spanische Allee in Dahlem erhielt ihren Namen, als die faschistische "Legion Condor" aus Spanien zurückkehrte. Aber in Friedrichshain steht das von Fritz Cremer geschaffene Denkmal der revolutionären Spanienkämpfer. Im Jahr 1980 erhielt Gilberto Bosques den "Stern der Völkerfreundschaft" von der DDR. In der Begründung hieß es: "Unser Volk wird nie vergessen, was Mexiko für die besten Vertreter des deutschen Volkes getan hat. Sie personifizieren die hohen Werte des Humanismus"5.

In Berlin wurde seinem Wirken im Rahmen der Ausstellung "Letzte Zuflucht Mexiko: Gilberto Bosques und das deutschsprachige Exil" in der Akademie der Künste 2012/2013 gedacht. Vor allem die Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft bemüht sich seitdem darum, Bosques in Berlin eine dauerhafte Ehrung zuteil werden zu lassen.

Auf Anregung ihrer Beschäftigten wurde die Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin am 29. Juni 2016 nach Bosques benannt.

  • 1. Hans Modrow, Exil in Mexiko, Seite 3, Mexiko-Stadt, November 2011
  • 2. Persönliche Mitteilung an den Autor von Gilberto Bosques in seinem Haus in Colonia del Valle, Mexiko-Stadt, am 24. September 1985
  • 3. Abgeordneter Felipe David Espinoza Rodriguez in Vida y Obra de Gilberto Bosques Saldivar (Leben und Werk von Gilberto Bosques Saldivar), Congreso del Estado de Puebla, 2013, Seite 37ff. Vgl. http://issuu.com/alfredorios/docs/libro_gilberto_bosques)
  • 4. Am 2. Oktober 1968 haben Soldaten und Paramilitärs das Feuer auf eine Studentendemonstration auf dem Platz der drei Kulturen im Stadtteil Tlatelolco der mexikanischen Hauptstadt eröffnet. Die genaue Opferzahl ist bis heute umstritten, die Angaben reichen von 200 bis über 500 Tote. Die Niederschlagung der Studentenbewegung erfolgte kurz vor Eröffnung der Olympischen Spiele. Bis heute wurde dafür niemand zur Verantwortung gezogen
  • 5. Revista Internacional y Diplomatica, Mexico Stadt, Juni 1980, Seite 67 ff
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